Kairo. US-Jet schießt Maschine des Assad-Regimes ab. Moskau verschärft den Ton gegenüber Washington. Wettlauf um Kontrolle über die zurückeroberten Gebiete der Terrororganisation IS eskaliert

Das Pentagon gab sich betont nüchtern. Der syrische SU-22 Kampfjet habe Bomben auf Truppen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) abgeworfen, hieß es in der Mitteilung. Daraufhin sei die Maschine von einer F-18 Super Hornet abgeschossen worden. „Das Bündnis strebt keine Kämpfe gegen das syrische Regime oder mit ihm verbündete russische und regimetreue Kräfte an“, fügte das US-Oberkommando hinzu. Man werde aber nicht zögern, Streitkräfte der Koalition oder ihre Verbündeten zu schützen, wenn sie bedroht würden.

Mit dem spektakulären Duell am syrischen Himmel jedoch, bei dem der Assad-Pilot ums Leben kam, gerieten zum ersten Mal seit Beginn des Bürgerkrieges Kampfflugzeuge von Damaskus und Washington aneinander. Auch am Boden kam es nahe der IS-Hochburg Rakka zu Gefechten zwischen arabisch-kurdischen Einheiten, die von den USA bewaffnet und dirigiert werden, und der syrischen Armee. Zuvor hatten die USA zwei iranische Drohnen abgeschossen und schiitische Milizen unter Feuer genommen, als sich deren Konvoi dem zentralen US-Trainingslager in At-Tanf näherte.

Angesichts der sich häufenden Zwischenfälle keilte Assads Hauptverbündeter Moskau am Montag zurück, nannte den SU-22 Abschuss einen „Akt der Aggression“ und warf den USA vor, sie hätten keinerlei Respekt für die Normen des internationalen Rechts. Der Kreml kündigte an, er werde künftig alle Flugzeuge und Drohnen der Anti-IS-Koalition westlich des Euphrats ins Visier nehmen und die Syrien-Hotline zu den Amerikanern abschalten. Die USA hätten diese Kommunikationskanäle vor dem Abschuss des syrischen Flugzeuges nicht genutzt, hieß es zur Begründung. Das erhöht die Gefahr einer direkten Konfrontation der beiden Großmächte.

Damaskus verlegt Truppen aus Aleppo an die IS-Front

Die erregten Vorwürfe zeigen, dass die US-Präsenz auf dem syrischen Schlachtfeld unter Präsident Donald Trump spürbar gestiegen ist. Manche Beobachter fürchten, dass die USA schleichend tiefer in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen werden und es zu einem direkten militärischen Konflikt mit den Truppen von Assad kommen könnte. Gleichzeitig kündigen Moskaus Kommentare die nächste Eskalationsphase des Krieges an, den militärischen Wettlauf um die Kontrolle Ostsyriens nach einem Kollaps des „Islamischen Kalifates“. Denn die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), in denen Kurden und arabische Sunniten zusammen kämpfen, stehen mittlerweile an den Außenbezirken von Rakka, seit Januar 2014 die IS-Hauptstadt. Von Süden nähern sich die syrische Armee und schiitische Milizen. In der Stadt sollen sich zwischen 2500 und 5000 Dschihadisten verschanzt halten. Die Kämpfe in den Wohngebieten dürften – wie schon im irakischen Mossul – Monate dauern.

Gleichzeitig setzen Baschar al-Assad und der Iran darauf, dem IS die dünn besiedelte Grenzregion zum Irak und Jordanien zu entreißen sowie die Euphrat-Stadt Deir Ezzor mit den wichtigen Ölfeldern zurück in ihre Gewalt zu bringen. Dazu verlegte Damaskus nun Truppen aus Aleppo an die IS-Front. Der Oberbefehlshaber der Auslandstruppen der Revolutionären Garden, der iranische General Qassem Soleimani, ließ sich demonstrativ an der irakisch-syrischen Grenze fotografieren.

Denn wer aus der Konkursmasse des „Islamischen Staates“ das strategisch wichtige ostsyrische Grenzgebiet mit seinen Straßenübergängen in die Hand bekommt, der kann entscheidende Weichen für die Zukunft Syriens stellen. Das Assad-Regime kalkuliert, in diesem Falle das Staatsgebiet größtenteils wieder unter Kontrolle zu bekommen. Für seine Mitstreiter in Teheran entstünde erstmals seit Jahren wieder ein durchgängiger Landkorridor zwischen dem Iran, über Irak und Syrien bis zur Hisbollah im Libanon. Eine solche schiitische Machtachse wollen die USA und ihre sunnitischen Alliierten verhindern.

Für Kamel Wazne, Politikwissenschaftler an der Amerikanischen Universität Beirut, jedoch sitzen Damaskus und Teheran am längeren Hebel. „Dieses Lager ist absolut entschlossen, den Kampf bis zum Ende durchzuziehen. In ihren Augen ist dies die alles entscheidende Konfrontation.“

Die steigenden Spannungen könnten auch Einfluss auf die für den 10. Juli angesetzten Friedensgespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana haben. Zu diesen werde auch der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura erwartet, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow der Agentur Tass zufolge am Montag in Peking.

Untersuchung zu Kriegsverbrechen geplant

Inzwischen hat auch eine Spenden-Kampagne begonnen, die eine UN-Untersuchung zu den Kriegsverbrechen in Syrien finanzieren soll. Die Initiative mehrerer Menschenrechtsorganisationen will innerhalb von zehn Wochen 1,9 Millionen Euro Spenden einnehmen. Damit sollten die vor sechs Monaten von der UN-Vollversammlung beschlossenen Ermittlungen ermöglicht werden, erklärten die syrischen und europäischen Initiatoren, darunter die Organisation „Adopt a Revolution“, in Berlin. Von den Staaten kamen bislang zu wenig Geldzusagen zusammen, um das Vorhaben zu finanzieren. Bislang sei nach dem Beschluss auf UN-Ebene nichts geschehen, kritisierte der Leiter des Syrischen Zentrums für Medien und Meinungsfreiheit (SMC), Mazen Darwish. „Jeder Tag, an dem nicht ermittelt wird, ist ein Geschenk an die Täter, denn es zeigt: Kriegsverbrechen lohnen sich.“ Strafverfolgung in Syrien dürfe nicht an fehlendem Geld scheitern.