Diplomaten fürchten um ihr Leben, müssen durch die Hintertür fliehen. Staatliche iranische Medien berichteten irreführend von „Geiselnahmen“.

Teheran. Die Bilder könnten symbolträchtiger kaum sein: Es brennt in der britischen Botschaft in Teheran. Eine Schar fanatischer Anhänger des Mullah-Regimes bricht sich Bahn, sie zünden die britische Flagge, den Union Jack, an und schwenken triumphierend Bilder von Queen Elizabeth II. Diplomaten fürchten um ihr Leben, müssen durch die Hintertür fliehen. Staatliche iranische Medien berichten zunächst irreführend sogar von „Geiselnahmen“. Der lange schwelende Konflikt zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Gottesstaat am Golf hat einen neuen Höhepunkt erreicht.

Großbritannien steht in der Garde der Iran-Kritiker in der ersten Reihe – und auch in der Reihe der Lieblingsfeinde Teherans neben den USA und Israel ganz vorne. Die Demonstranten hatten sich vor der Botschaft im Stadtzentrum Teherans versammelt, weil sie gegen die Ermordung eines iranischen Atomexperten protestieren wollten. Für den

Tod des Wissenschaftlers machen sie Großbritannien verantwortlich - im Einklang mit den USA und Israel. Die Demonstranten hätten aus der Botschaft Papiere gestohlen, von denen sie sich Aufschluss über das Attentat erhoffen, berichtete die staatliche Agentur IRNA.

+++ Teheran wird zunehmend international isoliert +++

Bei der Suche nach den Verantwortlichen für zwei Attacken mit den Computerviren Stuxnet und Stars, die im vergangenen Jahr sowie im April unter anderem iranische Uranzentrifugen lahmlegten, werden die drei Länder ebenfalls genannt. „Die Feinde des Iran führen einen Cyber-Krieg gegen unser Land“, sagte Gholamresa Dschalili von der Zivilverteidigungsbehörde im April. Die Feindschaft reicht aber noch länger zurück. Dass die Queen den Schriftsteller und Koran-Kritiker Salman Rushdie („Die satanischen Verse“) – von Ajatollah Khomeini per Fatwa gesucht – 2007 zum Ritter schlug, ist in Teheran bis heute nicht vergessen.

Gemeinsam mit den USA und Kanada beschloss London in der vergangenen Woche, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Die Entscheidung kam unmittelbar nachdem die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien ihren neuesten Iran-Bericht vorgestellt hatte. Der Vorwurf lautet: Die Führung in Teheran hat zumindest bis 2010 an der Entwicklung von Atomwaffen arbeiten lassen.

Die Briten schnitten als ihren Teil der neuen Sanktionen den iranischen Banken den Geldverkehr ab. Auf diese Weise soll der Geldfluss, der für das Atomprogramm dringend nötig ist, ausgetrocknet werden. War diese Maßnahme, für die auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle Sympathien hegt, so wirksam, dass sie die Gewalt in Teheran hervorrief? Jedenfalls hat sie die Machthaber in Teheran massiv geärgert. Am Montag stimmte der einflussreiche Wächterrat einem Parlamentsentwurf zu, den britischen Botschafter Dominick Chillcott aus dem Iran auszuweisen.

London reagierte seinerseits vergrätzt. „Dieser nicht gerechtfertigte Schritt wird dem Regime nicht helfen, seiner wachsenden Isolation oder internationalen Bedenken gegen sein Atomprogramm und seine Menschenrechtspolitik zu begegnen“, schallte es aus der Downing Street. Inzwischen hat der Streit das Potenzial für eine erste Krise. Die westlichen Verbündeten der Briten wie die USA, Frankreich, Italien und Deutschland beeilten sich am Freitag, sich hinter London zu stellen. Überall wurden die Übereingriffe scharf verurteilt.

Im Iran stellen Präsident Mahmud Ahmadinedschad und die Mullahs hinter ihm auf stur. Eine Atombombe wolle der Iran natürlich nicht bauen. Schließlich habe man ja den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben – ganz im Gegensatz zu Israel. Und der erlaube ausdrücklich die friedliche Nutzung der Kernenergie. Ob die anti-britischen Randalierer in Teheran von dieser These tatsächlich überzeugt sind? Oder ist die Regierung an der Gewalt sogar beteiligt, wie einige Beobachter vermuten?

Angeblich wurden in der Menge die selben Schläger gesichtet, die 2009 schon bei der Niederschlagung von Protesten gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads auf Videobildern zu erkennen waren. Offiziell verurteilte Teheran noch am Dienstag die Übergriffe und steht zu seiner Pflicht, ausländische Diplomaten zu schützen.