Paris. Die junge Partei des französischen Präsidenten Macron gewinnt die erste Runde der Parlamentswahl

Bei der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen hat „La République en Marche“ (LREM), die Partei von Präsident Emmanuel Macron, die Nase klar vorn: Auf sie entfielen 31,4 Prozent der Stimmen, wie das Innenministerium am Sonntagabend nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen mitteilte. Das konservative Lager kam auf 21,5 Prozent, der rechtsextreme Front National auf 13,5 Prozent, die Linkspopulisten von „France insoumise“ auf 11 Prozent, und die Sozialistische Partei rutschte auf rund neun Prozent ab. Auch wenn erst die in zahlreichen Wahlkreisen nötige Stichwahl am kommenden Sonntag über die endgültige Sitzverteilung in der Nationalversammlung entscheiden wird, zeichnet sich bereits jetzt ab, dass LREM über eine mehr als satte Mehrheit verfügen wird. Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis warnte bereits vor dem Fehlen einer „echten Opposition“ im Parlament.

Der frische Wind, den Macron als politischer Quereinsteiger mit seiner Präsidentschaftskandidatur entfacht hat und der ihn vor Monatsfrist in den Élysée-Palast trug, hat sich also keineswegs gelegt. Die Franzosen sind offenbar fest entschlossen, ihrem jungen Präsidenten eine Chance zu geben und ihm die hierfür nötige Parlamentsmehrheit einzuräumen.

Nicht umsonst wird das Votum, bei dem kurz nach der Kür des Staatsoberhaupts die 577 Abgeordneten der Nationalversammlung bestimmt werden, auch als dritte Runde der Präsidentschaftswahl bezeichnet. Schließlich geht es darum, über die wirkliche Machtfülle des Präsidenten zu entscheiden. Und so wie es aussieht, wird Macrons Regierungsmannschaft nach dem nächsten Wochenende freie Hand haben, um dessen Reformprogramm umzusetzen.

Es stimmt: Noch nie in der Geschichte der Fünften Republik haben die Bürger ihrem frisch gekürten Staatschef eine Parlamentsmehrheit verweigert. Doch schon seitdem die Umfragen wenig Zweifel an dem Durchmarsch der LREM-Kandidaten ließen, macht in den linksrheinischen Medien der Begriff „Big Bang“ die Runde. Er bezieht sich auf die gewaltige Umwälzung, die Frankreich soeben erlebt.

Viele Abgeordnete sind Polit-Neulinge

Da ist zum einen die Person des neuen Präsidenten. Ein Ex-Banker, 39 Jahre jung, der es ohne den Segen einer der beiden Traditionsparteien geschafft hat, sämtliche Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Wobei sein kometenhafter Aufstieg einherging mit einem regelrechten Kahlschlag in der Polit-Elite.

Ebenso nachhaltig versprechen die Folgen zu sein, wenn LREM in wenigen Tagen über eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen wird. Der Partei des Präsidenten würde es damit quasi über Nacht gelingen, die Rechts-links-Konfrontation ad acta zu legen. Und nicht nur die. Ein Großteil der künftigen LREM-Abgeordneten sind politische Novizen, die vor einem Monat vollkommen unbekannt waren und denen nun zahlreiche altgediente „Vollprofis“ weichen müssen.

Glaubt man den ersten Hochrechnungen, dann droht die Sozialistische Partei mit weniger als 40 Abgeordneten in der neuen Nationalversammlung nur noch ein Schattendasein zu führen. Desgleichen gilt, dass auch mit den konservativen Republikanern nicht mehr allzu viel Staat zu machen sein wird. Abgemagert von 230 auf etwa 120 Mandate bliebe zwar die Rolle des Oppositionsführers, aber von dem Attribut „stark“ werden sie sich verabschieden müssen. Alles deutet darauf hin, dass die beiden Traditionsparteien, die sich seit dem Bestehen der Fünften Republik an der Macht abwechselten, in den kommenden fünf Jahren nicht mehr allzu viel zu melden haben.

289 Sitze bräuchte LREM für die absolute Mehrheit, in Reichweite sind jedoch deutlich mehr. Bis zu 400 Mandate könnte Macrons Partei am Ende erobern, wenn sich der LREM-Erfolg am 18. Juni bestätigen sollte. Das Institut Kantar Public-Onepoint hielt sogar bis zu 440 Mandate für möglich. Dabei wäre die Nationalversammlung auch dann schon runderneuert – mit dem größten Anteil an Frauen sowie politischen Amateuren in ihrer Geschichte – wenn „nur“ 300 LREM-Kandidaten in sie einzögen. Ein Dämpfer ist allerdings die historisch schwache Wahlbeteiligung. Nur jeder zweite Wahlberechtigte ging zur Abstimmung.

„Revolution“ heißt das Buch, in welchem Macron im vergangenen Herbst sein politisches Programm vorstellte. Wer sich durch die 240 Seiten des Werkes kämpfte, konnte aus den Vorstellungen des Erneuerers zumindest eine Art sanfte Revolution herauslesen. Es sieht ganz so aus, als würde die Ausgangsbasis für Macrons innenpolitische Revolution gerade Form annehmen.