Kairo/Berlin. Die Attentäter von Teheran waren iranische Staatsbürger. Wie hart schlagen die Mullahs zurück? Reformkurs von Präsident Rohani ist in Gefahr

Einen Tag nach dem verheerenden Doppelattentat folgte der zweite Schock für die iranische Öffentlichkeit. Die Täter waren eigene Landsleute und keine eingeschleusten, ausländischen Gotteskrieger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Die sechs Terroristen seien, nachdem sie sich dem IS angeschlossen hätten, außer Landes gegangen und „nahmen an Verbrechen der Terrorgruppe in Mossul (Irak) und in Rakka (Syrien) teil“, erklärte das Geheimdienstministerium am Donnerstag. Im Juli oder August 2016 seien die Iraner dann unter der Führung eines IS-Kommandeurs mit Namen Abu Aisha in die Islamische Republik zurückgekehrt, „um Terroraktionen in religiösen Städten zu verüben“, hieß es in der Mitteilung, die auch die Fotos und Vornamen der Täter enthielt. Abu Aisha sei bei einer Anti-Terror-Razzia getötet worden, die anderen aus der Zelle konnten fliehen. Wie die Männer dann trotzdem am Mittwoch das verheerende Attentat mit mindestens 22 Toten und mehr als 50 Verletzten im Parlament und auf dem Gelände des Chomeini-Mausoleums verüben konnten, dazu schweigen die Ermittler bisher. Alle sechs Angreifer kamen ums Leben, sprengten sich in die Luft oder wurden von der Polizei erschossen.

Zweifel an Polizei und Staatssicherheit

Und so wachsen in der iranische Öffentlichkeit die Zweifel, ob Polizei, Staatssicherheit und Geheimdienst angesichts der wachsenden Terrorgefahren die Lage im Land tatsächlich so gut im Griff haben, wie es bisher schien. „Das sind alles nur Knallkörper, die nicht den geringsten Einfluss auf die Haltung der Bevölkerung haben“, spielte der Oberste Revolutionsführer Ali Khamenei die Dimension der Terroraktion herunter, der ersten des „Islamischen Staates“ auf iranischem Boden. „Glaube ja nicht, wir werden verschwinden, wir werden wiederkommen, so Gott will“, brüllte einer der Schützen in der 15-Sekunden-Videosequenz auf Arabisch, die der IS noch während des Angriffs online stellte, bevor er den am Boden liegenden, blutenden Sekretär des Abgeordneten Hossein Ali Deligani erschoss.

Mittlerweile nahm die Polizei fünf weitere Personen fest, die in die Bluttat verwickelt sein sollen. Ein drittes Terrorkommando sei bereits am Mittwoch rechtzeitig enttarnt und ausgeschaltet worden, hieß es. Ob Saudi-Arabien seine Finger im Spiel habe, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen, erklärte Geheimdienstminister Mahmoud Alavi. Im März hatte der IS zum ersten Mal auch der Islamischen Republik Terroranschläge angedroht.

Doch auch zuvor hatte es im Inneren der Islamischen Republik bereits Anschläge sunnitischer Extremisten gegeben. Vor allem in der Provinz Sistan und Belutschistan an der Grenze zu Pakistan gärt es seit Jahren, weil sich deren sunnitische Bevölkerung von Teheran diskriminiert und vernachlässigt fühlt. Dort operieren die Terrororganisationen Jundollah und Jaish-ul Adl, deren Gotteskrieger zuletzt im April zehn iranische Grenzpolizisten massakrierten. Bei dem bisher schwersten Jundollah-Attentat im Jahr 2009 starben 42 Menschen, die meisten waren Revolutionäre Garden.

Iranische Bürgerrechtler befürchten nun, das Machtkartell der Hardliner aus Justiz, Revolutionären Garden und erzkonservativen Klerikern könnte den jüngsten Anschlag nutzen, um die Daumenschrauben im Inneren anzuziehen und den weiteren Reformkurs von Präsident Hassan Rohani zu torpedieren. „Diese schrecklichen Ereignisse sollten nicht das Mandat untergraben, was Rohani bei den letzten Wahlen vom iranischen Volk erhalten hat“, erklärte Hadi Ghaemi vom Zentrum für Menschenrechte im Iran – nämlich „die zivilen und politischen Rechte des iranischen Volkes zu verbessern“.

Präsident Rohani hat die Präsidentschaftswahlen vor allem deshalb gewonnen, weil er die Stimmen der jungen Bevölkerung bekommen hat. Rund 70 Prozent der circa 80 Millionen Iraner sind unter 30 Jahre alt. Sie haben eine vergleichsweise gute Ausbildung und sind sehr an guten Beziehungen zu Europa und Amerika interessiert. Rohani gilt als gemäßigter Reformer und steht für einen Kurs der Annäherung an den Westen. Seine größte politische Leistung bisher war das internationale Atomabkommen im Juli 2015. Mit der Begrenzung der nuklearen Aktivitäten erreichte er, dass nach und nach Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden sollten, vor allem im Energie- und Finanzsektor. Ihm gelang damit die wirtschaftliche Trendwende. Im abgelaufenen Jahr wuchs die iranische Wirtschaft um 6,4 Prozent. Aber viele Iraner bemängeln, dass sie davon nicht profitierten. Die Hardliner blockieren hingegen den Kurs des Ausgleichs. Bekommen sie wieder Auftrieb, dürfte die Debatte über den Atomvertrag erneut aufflammen.