Berlin.

Mit einem Lastwagen fahren die überwiegend jungen Männer vor. Eine geplante Aktion, ohne Anmeldung. Sie wollen an der Wand des Bundesjustizministeriums ein Banner anbringen. Es sind Mitglieder der selbsternannten „Identitären Bewegung“ – eine neurechte, völkisch-nationalistische Gruppe. Sicherheitsbeamte halten die Männer auf. Die „Identitären“ blockieren dann den Eingang des Ministeriums, skandieren „Widerstand“ und „Festung Europa, macht die Grenzen dicht“. Es war am vergangenen Freitag eine typische Aktion der Gruppe: mit wenig Aufwand, nur wenige Akteure sind notwendig, aber die mediale Aufmerksamkeit ist enorm.

Immer wieder geraten die „Identitären“ in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Mit der Hetze vor allem gegen muslimische Einwanderer und Flüchtlinge machen sie seit 2015 mobil. Jetzt zeigt sich laut Berichten der „Süddeutschen Zeitung“: Die „Identitären“ sind mit einzelnen Mitgliedern und ihrer extrem rechten Ideologie offenbar auch in der Bundeswehr unterwegs.

Wer steckt hinter der
„Identitären Bewegung“?

Die Gruppe hat ihren Ursprung in Frankreich. 2012 veröffentlicht die „Génération Identitaire“ ein Video im Internet. Sie nennen es die „Kriegserklärung“. Junge Männer und Frauen hetzen gegen eine „erzwungene Mischung der Rassen“, sie sehen sich als „Opfer der 68er-Bewegung“, warnen vor dem „Multi-Kulti-Kollaps“. Seitdem gründen die „Identitären“ neue „Ortsgruppen“, vor allem in Österreich, aber auch in Deutschland. Die IB inszeniert sich selbst als Bewegung, als „außerparlamentarische Opposition“ von rechts, als „Widerstandsmilieu“, zu dem auch rechte Ideologen wie Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek, die Anführer von „Pegida“ und Teile der AfD gehören.

Die IB will hip sein, jung und radikal. Martin Sellner, 28, ist einer der Wortführer bei den „Identitären“. Er sagte dieser Redaktion: „Die IB will politisch frustrierten Menschen neue Wege aufzeigen, ihren Protest zu äußern, ohne Gewalt.“ Vor allem im Internet erzeugt die Gruppe durch das Verbreiten ihrer Aktionen in Videos einen Hype. Auf Facebook folgen 55.000 Menschen der IB. Doch die Zahl der Akteure ist überschaubar. Sellner selbst schätzt ihre Mitglieder-Zahl in Deutschland auf 400, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geht von rund 300 Mitgliedern in Deutschland aus. Forscher wie Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena zählen nicht mehr als 40 „Identitäre“ zum harten Kern der Gruppe, darunter aber laut Sicherheitsbehörden auch bekannte Rechtsextremisten.

Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) ordnet die IB „nicht den herkömmlichen rechtsextremistischen Strukturen“ zu. „In Sachsen gehen wir derzeit davon aus, dass die Identitäre Bewegung etwa 40 aktive Mitglieder hat.“ Die Anzahl von Aktionen habe in den vergangenen Monaten zugenommen. „Deshalb“, so Ulbig weiter, „wird sich der Verfassungsschutz in Zukunft noch intensiver mit der Identitären Bewegung befassen.“

Welche Verbindung haben die
„Identitären“ in die Bundeswehr?

Seit Bekanntwerden der rechtsextremen Gruppe um den Bundeswehr­offizier Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben und laut den Ermittlern gemeinsam mit zwei Komplizen einen Anschlag geplant hatte, gerät die Bundeswehr wieder in den Fokus. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) prüft nun Verbindungen zwischen A. und elf anderen Bundeswehrangehörigen. Die Studenten und Absolventen der Münchner Bundeswehr­universität waren schon vor der Festnahme von A. durch Kontakte zur rechten Burschenschaft Danubia aufgefallen – und zur IB. Deren Thesen finden sich in der Masterarbeit von Soldat Franco A., die vom Prüfer wegen rassistischer Inhalte abgelehnt worden war. Mehrfach fielen Bundeswehrsoldaten in der Vergangenheit mit Verbindungen zu rechten Gruppen auf, etwa 2011, als bekannt wurde, dass ein Neurechter die Studierendenzeitung der Bundeswehruniversität in Neubiberg leitete. Derzeit prüft der MAD 275 Verdachtsfälle – meist Propagandadelikte. Sellner hob hervor, es sei keine Strategie der „Identitären“, sich der Bundeswehr anzunähern.

Was bedeutet die jüngste Aktion der
„Identitären“ am Justizministerium?

Der Plakat-Protest ist typisch für die IB. Immer wieder fällt sie mit solchen
Aktionen auf: 2016 klettern Mitglieder auf das Brandenburger Tor, entrollen ein Banner mit der Aufschrift „Sichere Grenzen – Sichere Zukunft“. Die Gruppe blockierte die CDU-Zentrale in Berlin, sie liefen verschleiert durch Innenstädte und forderten „Burkas für alle“. Es geht den „Identitären“ vor allem um Aufmerksamkeit. Demonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern konnte die IB bisher nicht organisieren. Stattdessen mischen sie sich unter Zuwanderungsgegner wie etwa der fremdenfeindlichen „Pegida“ in Dresden.

Was plant die Bewegung als nächstes?

Die „Identitären“ kündigten nun schon eine neue Demonstration in Berlin für Mitte Juni an. Unlängst sagte Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen dieser Redaktion, sein Amt erwarte auch künftig Aktionen der IB gegen Parteien, Moscheen oder Asylbewerberunterkünfte. CDU-Innenpolitiker Ansgar Heveling warnte vor einem „erkennbaren Potenzial für eine noch stärkere Vernetzung“ der IB mit anderen extremistischen Gruppen. Die IB hülle ihre Aktionen in einen „pseudo-intellektuellen Rahmen“, um Studenten anzuziehen. Die Innenexpertin der Linken, Martina Renner: „Angesichts der Verschlafenheit und Fehleinschätzung der Behörden kann man fast zynisch werden.“ Die IB sei mehr als eine „neurechte, intellektuelle oder gar rein auf symbolischen Aktionismus begrenzte rechte Gruppierung“. Renner verweist auf einen Fall in Frankreich. Dort stehen Anhänger der IB im Verdacht, einen Mord begangen zu haben. Die Ermittlungen laufen.