Brüssel. Athen braucht neues Geld aus dem Hilfsprogramm dringend, um Kreditverpflichtungen zu erfüllen. Gabriel für Schuldenerleichterungen

Für Pierre Moscovici, als Brüsseler Kommissar zuständig für den Euro und die Finanzen, war die Sache klar: „Nachdem sie alle geliefert haben – die griechischen Behörden, das griechische Volk, das griechische Parlament – ist es an der Zeit, dass auch die Partner Griechenlands ihrer Verantwortung gerecht werden.“ Der Appell des französischen Sozialdemokraten richtete sich an die Finanzminister der Euro-Gruppe, die kurz darauf zusammentraten, um mal wieder den Daumen zu heben oder zu senken über dem ewigen Sorgenkind Hellas. Gut sieben Milliarden Euro benötigt die klamme Staatskasse in Athen, um im Juli Altkredite abzulösen.

Im europäischen Umfeld hat sich die Stimmung aufgehellt. Moscovici konnte am Montag zur Lage der EU-Ökonomie positive Erkenntnisse verkünden: Das Wachstum kommt auf breiter Front in Gang, bei der Erholung der Arbeitsmärkte und der Sanierung der Haushalte ist stetiger Fortschritt zu vermelden. Zu den „guten Nachrichten“ zählte der Kommissar ausdrücklich die Entwicklung in Griechenland. Auch dort werde man in den Jahren 2016/17 die Maastricht-Vorgaben für die Neuverschuldung (höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung) einhalten. Also hoffe er auf „eine positive Entscheidung“ der Finanzminister.

Insgesamt stehen in dem Hilfsprogramm 86 Milliarden Euro zur Verfügung, knapp 32 wurden bislang ausgezahlt. Die Freigabe einer weiteren Tranche entspricht auch der Linie der französischen Regierung unter Präsident Emmanuel Macron, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Schulterschluss sucht. Vor der Brüsseler Sitzung stimmte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin mit seinem neuen Pariser Amtsbruder Bruno Le Maire ab, und zwar nicht nur über eine gemeinsame Initiative zur Fortentwicklung der Währungsunion. Sondern, auf dem gemeinsamen Flug nach Brüssel, auch über das Griechenland-Problem.

„Generell sind wir jetzt soweit, dass wir zu einem politischen Abschluss kommen können“, sagte Schäuble nach seiner Ankunft in Brüssel. So wären „die Voraussetzungen geschaffen, dass wir rechtzeitig die zweite Tranche ausbezahlen können.“ Damit ist allerdings Schäubles größeres Griechenland­problem noch nicht gelöst: Wie kann der Internationale Währungsfonds (IWF) – in Deutschland fest versprochen – bei der Griechenland-Rettung wieder an Bord geholt werden? Der IWF verlangt dafür Schuldenerleichterungen zugunsten der Griechen, zu denen Schäuble nicht bereit ist, jedenfalls nicht vor Ablauf des gegenwärtigen Hilfsprogramms im Jahr 2018.

Die SPD versucht den CDU-Finanzminister in die Enge zu treiben. Sigmar Gabriel, als Außenminister nicht unmittelbar zuständig, aber als Wahlkämpfer gefordert, richtete dem störrischen Schäuble per Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ aus, was dieser zu tun habe: Schuldenerleichterungen für die Griechen dürften nicht länger am deutschen Widerstand scheitern. „Wenn wir dies tapfere Land nicht verlieren wollen, dann braucht es jetzt Luft zum Atmen“, meinte Gabriel.

Im Zentrum des Streits steht die Frage, ob und wie Griechenland langfristig seine gewaltigen Staatsschulden (179 Prozent des BIP) tragen kann. Der IWF beurteilt das skeptischer als die europäischen Geldgeber unter Führung des deutschen Finanzministers. Der verwies in Brüssel auf unterschiedliche Zeithorizonte, die beim IWF und in der Eurozone für die Berechnung der Schuldentragfähigkeit eine Rolle spielten. Dennoch zeigte sich Schäuble zuversichtlich. „Mit gutem Willen bei allen Beteiligten werden wir eine Lösung finden!“