Teheran. Unter Präsident Rohnai hat sich das Land vorsichtig reformiert. Die Präsidentenwahl am Freitag zeigt, ob sich der Kurs ändert

Die Azadi-Sportarena bebt. „Lasst Mussawi und Karroubi frei“, skandieren die 20.000 meist jungen Leute und feiern den iranischen Präsidenten Hassan Rohani, der erneut zur Wahl antritt, wie einen Helden. Karroubi und Mussawi, beide Präsidentschaftskandidaten bei der Wahl 2009, gehören zur sogenannten grünen Bewegung im Iran. Sie riefen im arabischen Frühling 2011 zu landesweiten Solidaritätsdemonstrationen mit der tunesischen und ägyptischen Bevölkerung auf und stehen seitdem unter Hausarrest. Viele, die ins Stadion gekommen sind, tragen demonstrativ auch die grünen Armbänder von 2009. Dafür konnte man im Iran noch vor Kurzem verhaftet werden, unter Rohani hat sich das Land vorsichtig geöffnet. Die meisten aber sind in den violetten Farben des Rohani-Lagers gekommen. „Wir waren grün, aber eure Knüppel haben uns violett gemacht“, hallt es durch das Teheraner Stadion in Anspielung auf die vielen Blutergüsse der Demonstranten von 2009. Damals waren vor allem jungen Iraner gegen Wahlmanipulationen auf die Straße gegangen, um für mehr Demokratie zu demonstrieren. „Wir wollen eine Regierung, die sich an Recht und Gesetz hält“, rufen sie.

Warnende Worte des Obersten Revolutionsführers

Lange dümpelte der Wahlkampf vor sich hin, doch in der Schlussphase kocht die Stimmung hoch. Alle Kandidaten kämpfen mit harten Bandagen, um ihre Anhänger für die Abstimmung am Freitag zu mobilisieren. „Diese Wahl stellt Weichen“, ruft Rohani in die tosende Menge und nennt sie eine Entscheidung zwischen Frieden und neuen Spannungen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Iran wieder isoliert wird, wir wollen einen konstruktiven Dialog mit der übrigen Welt.“

Mit seinen konservativen Konkurrenten ging der 68-jährige Kleriker im Wahlkampf so scharf ins Gericht wie kein Reformer mehr seit 2009, als der damalige Kandidat Mussawi dem amtierenden Präsidenten Ahmedinedschad live im Fernsehen vorwarf, er ruiniere das Ansehen Irans in der Welt. Zweimal in den vergangenen Wochen nahm Rohani sogar die Revolutionären Garden aufs Korn – für die Islamische Republik ein unerhörter Tabubruch. „Wenn man eine bessere Wirtschaft will, sollten man nicht Gruppen aus dem Sicherheitsapparat erlauben, sich in der Wirtschaft breitzumachen“, hielt er seinen Kritikern entgegen und spielte damit auf die lukrativen, staatlichen Infrastrukturaufträge an, die die Revolutionären Garden in den letzten Jahren ohne Ausschreibung für sich einstreichen konnten. Obendrein warf er den Paramilitärs vor, mit ihren demonstrativen Raketentests, bei denen sie „Tod für Israel“ auf die Geschosse aufmalen, das Atomabkommen zu sabotieren. Für die Führung der iranischen Elitegarde war damit die rote Linie überschritten. „Wir empfehlen allen Präsidentschaftskandidaten, sich aus den sensiblen Fragen der Landesverteidigung herauszuhalten“, schallte es in drohendem Ton zurück.

Rohanis konservativer Hauptrivale Ebrahim Raesi ver-suchte dagegen, mit einer Fundamentalkritik an Rohanis Wirtschaftskurs und dem Versprechen von milliardenschweren Sozialzahlungen die ärmeren Schichten der 80 Millionen Iraner für sich zu gewinnen. Wenn keiner der Kandidaten in der ersten Runde am Freitag die 50 Prozent erreicht, treten die beiden Bestplatzierten eine Woche später zur Stichwahl an.

Am Montag zog der hemdsärmelige Teheraner Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf seine Kandidatur zurück, um die Kräfte des Anti-Rohani-Lagers zu bündeln. Seinen Anhängern empfahl er, den „verehrten Bruder Raeesi“ zu wählen, um „die Interessen des Volkes, der Revolution und des Landes zu schützen“.

Rohani dagegen beschwor seine Anhänger, er brauche ein stärkeres Mandat, um die Gesellschaft weiter zu liberalisieren. Denn die hochfliegenden Erwartungen der Bevölkerung nach dem Ende der Atomsanktionen haben sich bisher nicht erfüllt. Statt der erwarteten 50 Milliarden Dollar an Auslandsinvestitionen pro Jahr flossen bisher weniger als zwei Milliarden. Deshalb dreht sich bei der Präsidentenwahl im Iran wieder fast alles um den Atomdeal mit den Weltmächten. Dabei geht es für die Wähler nicht um das Wiener Abkommen von 2015 selbst, sondern um die von Rohani betriebene vorsichtige Öffnung des Landes. „Die Wahl ist daher auch eine Art Referendum für oder gegen diese Öffnung“, sagt ein Politologe in Teheran. Eine Niederlage Ruhanis könnte diesen Öffnungskurs – und auch den Atomdeal selbst – blockieren.

Die Mullahs und das konservative Establishment sehen aber vor allem einen fulminanten Endspurt der Reformkräfte um Rohani, der Zausende zu seinen Kundgebungen lockt. Viele Hardliner fürchten, die Lage könnte wieder außer Kontrolle geraten und sich in monatelangen Unruhen entladen. Und so meldete sich der Oberste Revolutionsführer Ali Khamenei wenige Tage vor dem Urnengang mit einer Warnung zu Wort. Wer auch immer die Wahlen stören wolle und „unmoralische Äußerungen“ mache, erklärte er in einer Rede, „der wird einen Schlag ins Gesicht bekommen“.