Berlin.

Es ist ein Druckmittel, und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verwendet es nach Belieben: die Luftwaffenbasis im türkischen Incirlik. Am Montag untersagte die Türkei deutschen Bundestagsabgeordneten erneut Besuche bei den Bundeswehrsoldaten, die dort stationiert sind.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Türkei Parlamentariern über Monate hinweg den Besuch bei den deutschen Soldaten verweigert. Grund für die Verstimmung war damals, dass der Bundestag in einer Entschließung die im Osmanischen Reich an den Armeniern begangenen Verbrechen als Völkermord anerkannt hatte.

In der Bundesregierung reagiert man zusehends genervt: „Das ist misslich. Und wir haben das auch auf den verschiedenen Kanälen klargemacht“, sagte Kanzlerin Angela Merkel. Die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee. „Und damit ist es absolut notwendig, dass Besuchsmöglichkeiten für unsere Abgeordneten bestehen bei ihren Soldatinnen und Soldaten.“

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, ging noch einen Schritt weiter und forderte den sofortigen Abzug der Bundeswehr. „Die Sache ist eindeutig: Das Besuchsrecht ist zwingend für eine Parlamentsarmee“, sagte Arnold dieser Zeitung. „Wir sind nicht Erdogan zuliebe dort. Deshalb gibt es nur eins: schnellstmöglich raus aus Incirlik.“

Was folgt nun aus dem erneuten Zwist über das Besuchsrecht? Merkel betonte, die Gespräche mit der türkischen Regierung würden fortgesetzt, parallel werde aber nach Alternativen gesucht. Im Gespräch ist nun vor allem ein Standort in Jordanien, infrage käme auch Kuwait oder Zypern. Eine Verlegung der aktuell etwa 260 Bundeswehrsoldaten und des militärischen Materials nach Jordanien würde wohl acht bis neun Wochen dauern, heißt es aus Sicherheitskreisen. 180 bis 200 Container Material müssten ausgeflogen werden.

Die Basis Incirlik liegt in der Nähe der südtürkischen Stadt Adana, gut 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Auf dem Stützpunkt gilt türkisches Hoheitsrecht. Von Incirlik aus unterstützen Soldaten unter anderem mit Aufklärungsflügen die Koalition gegen die Extremistenmiliz „Islamischer Staat“ in Syrien und im Irak. Die Bundeswehr beteiligt sich seit Ende 2015 an der Mission, bisher gab es 900 Aufklärungsflüge. Da der Bundestag die Einsätze der Bundeswehr beschließt, spricht man von einer Parlamentsarmee. Besuche von Abgeordneten bei der Truppe gehören zur Tagesordnung.

Das Verhältnis zur Türkei wird zudem durch die Inhaftierung von Journalisten belastet. Zu der seit zwei Wochen in der Türkei inhaftierten 33-jährigen deutschen Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu haben die deutschen Behörden nach wie vor keinen direkten Zugang. Allerdings durfte Tolus Vater seine Tochter nun erstmals im Istanbuler Gefängnis besuchen. Er habe eine knappe Dreiviertelstunde mit ihr sprechen können und ihr den zweieinhalbjährigen Sohn übergeben, der von nun an bei seiner Mutter im Frauengefängnis bleiben soll, sagte Ali Riza Tolu am Montag. „So wie sie gestern mit Deniz Yücel umgegangen sind, gehen sie nun auch mit mir um. Sie wollen die freie Presse zum Schweigen bringen“, sagte Mesale Tolu demnach während des Gesprächs. Seit Mitte Februar ist auch der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda in Haft. Anfang April durfte erstmals ein deutscher Botschaftsvertreter mit Yücel sprechen.