Köln. Richter sehen Persönlichkeitsrechte des Altkanzlers durch das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ schwer verletzt. Autor Schwan ist erschüttert

Er werde Helmut Kohl in Ludwigshafen umgehend über das Urteil informieren, kündigt Rechtsanwalt Thomas Hermes am Donnerstag im Foyer des Kölner Landgerichts an. Und fügt hinzu: „Es geht Helmut Kohl den Umständen entsprechend gut.“ Auf jeden Fall nehme er vollen Anteil an der Gerichtsentscheidung. Diese ist für den Altkanzler nichts weniger als ein Triumph: Als Schadenersatz für die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ wird ihm die Rekordsumme von einer Million Euro zugesprochen. Das hat es in der deutschen Rechtsgeschichte so noch nicht gegeben.

Minuten später: Ein sichtlich erschütterter Heribert Schwan tappt durch einen der Gerichtskorridore. Er ist einer der beiden Autoren des Buchs - und Kohls ehemaliger Ghostwriter. „Es ist eine unglaubliche Summe“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist natürlich auch existenzvernichtend. Ich kann’s nach wie vor nicht begreifen.“

Das Urteil ist der vorläufige Höhepunkt eines jahrelangen Rechtsstreits. Die Ursprünge liegen lange zurück: 2001 und 2002 verbrachte Schwan mehr als 600 Stunden im Keller von Helmut Kohls Bungalow in Ludwigshafen-Oggersheim. Um als Ghostwriter die Memoiren des „Kanzlers der Einheit“ zu schreiben, ließ er sich von ihm sein Leben erzählen.

Drei dicke Bände kamen heraus – Schwans Name wird darin nirgendwo genannt. Dann verkrachten sich die beiden. Der einzige Grund dafür war laut Schwan die neue Frau an der Seite des Altkanzlers, Maike Kohl-Richter. Als Konsequenz aus dem Zerwürfnis ist der vierte und potenziell interessanteste Band der Kohl-Erinnerungen mit seinem Sockelsturz durch die CDU-Spendenaffäre nie erschienen.

Schwan legte allerdings auf andere Weise nach: mit einem Buch, das er sich diesmal nicht von Kohl absegnen ließ. Dafür wertete er die Kassetten aus, auf denen er ihre langen Kellergespräche aufgenommen hatte. Der 2014 im Heyne-Verlag erschienene Band verkaufte sich 200.000-mal. Kohl wurde darin mit teils vernichtenden Äußerungen über zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens wiedergegeben – von Angela Merkel bis Prinzessin Diana.

Vor Gericht setzte Kohl allerdings ziemlich schnell durch, dass das Buch in dieser Form nicht mehr verbreitet werden durfte. Und dann forderte er Schadenersatz: Fünf Millionen.

Schwan ist sich keiner Schuld bewusst. „Wenn es einen Hauch von Verschwiegenheit gegeben hätte, hätte ich das niemals gemacht“, beteuert er auch am Donnerstag wieder.

Doch das Gericht sieht es anders. Als Ghostwriter sei Schwan zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen, erläutert der Vorsitzende Richter Martin Koepsel. Viele Zitate seien zudem aus dem Zusammenhang gerissen. Und mehr noch: Einiges habe Kohl gar nicht so gesagt. „Das gilt beispielsweise für grobe Schimpfwörter. Das findet sich einfach nicht wieder.“

Erschwerend hinzu kommt für das Gericht, „dass der Kläger sich kaum noch äußern kann“. Helmut Kohl kann sich nicht mehr verteidigen. Damit hätten sich die Autoren noch zu seinen Lebzeiten die Deutungshoheit über ihn angemaßt, und dies mit teils verfälschten Zitaten. Dem müsse „eine spürbare Konsequenz“ folgen, sagt Richter Koepsel.

Beendet ist die Sache damit nicht: Die Autoren und der Verlag gehen in Berufung. Die Oggersheimer Kellergespräche werden die Gerichte wohl noch einige Zeit beschäftigen.