Ankara.

Kurz vor dem Referendum über ein Präsidialsystem in der Türkei hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in der Auseinandersetzung mit Deutschland erneut scharfe Töne angeschlagen. Er schloss eine Auslieferung des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel an die Bundesrepublik aus. Deutschland verweigere die Auslieferung türkischer Staatsbürger, sagte Erdogan dem Sender TGRT in Istanbul. Daher würden Deutsche wie Yücel auch nicht überstellt: „Wenn einer von denen uns in die Hände fällt, werden sie dieselbe Behandlung erfahren.“

Zu einer möglichen Auslieferung solcher Fälle sagte er: „Auf keinen Fall, solange ich in diesem Amt bin niemals.“ Erdogan bezog sich auf Vorwürfe, wonach Deutschland keine türkischen Terrorverdächtigen ausliefert. Zu Anschuldigungen, Yücel habe Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gehabt, sagte Erdogan: „Natürlich, auf jeden Fall. Uns liegt Bildmaterial und das alles vor. Das war ein richtiger Agent (und) Terrorist.“ Die Bundesregierung fordert die Freilassung des „Welt“-Korrespondenten Yücel, der in der Türkei seit Ende Februar wegen angeblicher Terrorpropaganda und Volksverhetzung in Untersuchungshaft sitzt.

Bei dem Referendum am Sonntag sind 55,3 Millionen wahlberechtigte Türken aufgerufen, in einer Volksabstimmung über eine neue Verfassungsordnung zu entscheiden. Es geht um die Einführung eines Präsidialsystems, das Staatschef Erdogan wesentlich erweiterte Befugnisse geben und das Parlament weitgehend entmachten würde. Setzt sich Erdogan mit seinen Plänen durch und führt er, wie angekündigt, die Todesstrafe wieder ein, würde die Türkei ihren Status als EU-Beitrittskandidat verlieren. Zum Abschluss des Wahlkampfes ritt Erdogan neue Attacken gegen Europa. „Die Schminke im Gesicht Europas löst sich auf“, rief der Präsident bei einer Kundgebung in Giresun an der Schwarzmeerküste. „Unter dem Make-up kommt das faschistische, rassistische, fremdenfeindliche und islamfeindliche Gesicht zum Vorschein“, so Erdogan.

Im Wahlkampf dominierte ein Wort: „Evet“ („Ja“) – also die Zustimmung zum Präsidialsystem. In den überwiegend regierungstreuen Medien kam die Nein-Kampagne, die vor allem von Nichtregierungsorganisationen und der größten Oppositionspartei CHP getragen wird, fast gar nicht zu Wort. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP, die ebenfalls für ein Nein wirbt, kritisierte den Wahlkampf als unfair. 35 Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beobachten die Wahl. Die Umfragen lassen keine gesicherte Prognose zu. Nach einer jüngsten Erhebung des als seriös geltenden Meinungsforschungsinstituts Gezici wollen am Sonntag 51,3 Prozent mit Ja und 48,8 Prozent mit Nein stimmen.