Washington.

Seezunge, grüne Bohnen, Karotten, Steak, Schokoladenkuchen und Früchtesorbet, dazu kühler Chardonnay aus Kalifornien. In Donald Trumps Florida-Domizil Mar-a-Largo waren die leer gegessenen Teller beim Staatsdinner zu Ehren des chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Donnerstagabend noch nicht abgeräumt, da war aus dem amerikanischen Präsidenten bereits der Commander-in-Chief geworden. Gegen 20.45 (2.45 MESZ) Uhr US-Ortszeit stiegen von den im Mittelmeer stationierten Kriegsschiffen USS Porter und USS Ross 59 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk auf und schlugen wenige Minuten später auf der syrischen Luftwaffenbasis Al-Schairat nördlich von Damaskus ein.

Mit dem gezielten Luftschlag, den sich Trump kurzfristig von Verteidigungsminister James Mattis und dem Nationalen Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster als Strafaktion für den Giftgasangriff in der Stadt Khan Sheikhun ausarbeiten ließ, hat sich Amerika nach sechs Jahren Bürgerkrieg zum ersten Mal gegen das Militär des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gestellt. Konsequenzen? Unabsehbar.

Um 21.40 Uhr trat Trump mit ernster Miene in einem Nebensaal seines Anwesens vor die Kamera. Um keine Fehler zu machen, las er seine dreiminütige Rede vom Teleprompter ab: „Am Dienstag hat der syrische Diktator Baschar al-Assad einen schrecklichen Angriff mit Chemiewaffen auf unschuldige Zivilisten verübt. Mit dem Einsatz eines tödlichen Nervengases erstickte Assad die Leben hilfloser Männer, Frauen und Kinder. Es war ein langsamer und brutaler Tod für so viele. Sogar wunderschöne Babys wurden bei dieser barbarischen Attacke grausam ermordet. Kein Kind Gottes sollte jemals solch einen Horror erleiden.“

Trump bezeichnete den Angriff als „grundlegend für die nationale Sicherheit“ Amerikas. Es gehe darum, die Verbreitung tödlicher Chemiewaffen zu verhindern. Laut der UN-Botschafterin Nikki Haley sind die USA zu weiteren Aktionen bereit. „Wir sind darauf vorbereitet, mehr zu unternehmen, aber wir hoffen, dass das nicht nötig sein wird“, sagte Haley am Freitag bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Es ist die Geste, die zählen soll. Wer eine Linie überschreitet, sagte Außenminister Rex Tillerson später, wisse nun, dass Trump anders als Vorgänger Obama „handelt“.

Die Regierung in Damaskus bestritt die Vorwürfe vehement, sprach von einer „schändlichen Tat“ und kündigte an, noch unbarmherziger gegen die Opposition vorzugehen. Ähnlich äußerte sich Assads Schutzmacht Moskau. Um russische Opfer zu vermeiden, war der Kreml unmittelbar vor den Angriffen informiert worden. Genau wie mehrere ausländische Regierungen, darunter auch die deutsche. Nach syrischen Regierungsangaben starben bei den Raketenangriffen neun Menschen, darunter auch Zivilisten. Anders als das Pentagon behauptet, sollen sich die Schäden an der militärischen Infrastruktur von Treibstofftanks bis Landebahn in Grenzen halten. Weniger als 24 Stunden nach dem Beschuss wurden der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge von dort neue Luftangriffe geflogen.

Die Gespräche Trumps mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping traten in den Hintergrund. Dabei stand auch dort ein heikles Thema auf der Tagesordnung: die Frage der Eindämmung der atomaren Aktivitäten Nordkoreas. Wollte Trump mit seinem Angriff auf Syrien auch hier ein Warnsignal geben?

Alle Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf den vom militärische Zurückhaltung predigenden Nationalisten über Nacht zum Kriegsherrn gewordenen Präsidenten – und auf die Frage, ob es sich tatsächlich um ein „einmaliges Ausrufezeichen“ Trumps in Syrien gehandelt hat. 18 Mal, hat das „Time“-Magazin nachgerechnet, hatte Donald Trump in den vergangenen Jahren über Twitter massiv vor einem Eingreifen der USA in Syrien gewarnt. Als 2013 über 1000 Syrer Opfer von Giftgasangriffen Assads geworden waren, wandte er sich an Obama: „Noch einmal, an unseren sehr dummen Anführer. Greifen Sie Syrien nicht an. Wenn Sie es tun, werden viele sehr schlimme Sachen passieren.“ Im Wahlkampf 2016 sagte er seiner Konkurrentin Hillary Clinton nach, sie riskiere durch eine Intervention im Bürgerkriegsland den dritten Weltkrieg.

Trotz internationaler Zustimmung – nicht allen in Amerika gefällt Trumps Aktion. Ultrarechte Internet­medien mit großem Einfluss wie „Infowars“, die Trump bisher uneingeschränkt unterstützten, wenden sich ab. Der Präsident, der sich als achtfacher Großvater über die ermordeten Babys in Syrien empört habe, sei nicht mehr als eine „Puppe der Neo-Konservativen“.