Gillette.

Gut, dass Louise Carter-King an der Hauptstraße von Gillette nebenbei den größten Laden für Bürobedarf betreibt. Die Bürgermeisterin der unspektakulären 30 000 Einwohner-Kleinstadt im Cowboy-Bundesstaat Wyoming muss sich vielleicht kurzfristig auf erhöhte Nachfrage einstellen, was Briefumschläge und Papier anbelangt – für Dankesworte ans Weiße Haus. Mit der gestern in erste Dekrete gegossenen radikalen Abkehr von der Klimaschutzpolitik seines Vorgängers Obama hat Präsident Donald Trump in Amerikas größtem Kohle-Revier Sympathie-Punkte geerntet.

Regeln, die das Fördern des schwarzen Goldes zum Zwecke der umweltschädlichen Verfeuerung in Kraftwerken nachhaltig erschweren, „können endlich gelockert werden“, sagt Charlene Murdock von der örtlichen Handelskammer dieser Zeitung, „das stabilisiert die Produktion und schafft etwas Ruhe“.

Viel mehr aber auch nicht. An Trumps Standardsatz – „Wir werden unsere wunderbaren Bergarbeiter wieder in Arbeit bringen“ – glaubt im „Powder River Basin“ gut wie niemand.

Wyoming stellt 40 Prozentder US-Kohleproduktion

Dabei sind die Voraussetzungen für den Abbau nirgends so kostengünstig wie hier im Nordwesten der Vereinigten Staaten. Keinen einzigen Förderturm sieht man in der endlosen Weite der Prärie, wo vereinzelt Büffel grasen. Stattdessen gelbe Laster-Ungetüme mit vier Meter hohen Reifen und einem Ladevermögen von 400 Tonnen. Sie fahren im Schritt-Tempo durch die gigantischen Tagebau-Gruben von „Eagle Butte“ oder „North Antelope Rochelle“ und sammeln ein, was monsterhafte Baggerschaufeln aus einer 15 Meter hohen pechschwarzen Kohlewand kratzen.

Mit 300 Millionen Tonnen stellte Wyoming im vergangenen Jahr mehr als 40 Prozent der US-Kohleproduktion. Dabei wurden 200 Millionen Tonnen weniger als 2008 gefördert. Generationen sind hier mit der Industrie verwoben. Im Epi-Zentrum Gillette leben „nahezu alle von der Kohle“, sagt Charlene Murdock.

Umso dramatischer war es, als vor einem Jahr am „schwarzen Donnerstag“ 500 Minenarbeiter auf einen Schlag auf die Straße gesetzt wurden. Die Preise waren zusammengebrochen. Arch Coal, Alpha und andere Konzerne, von denen viele in Insolvenzverfahren stecken, wussten sich nicht mehr anders zu helfen. Gillette verlor 2000 Einwohner. Im Haushalt klafft eine Lücke. Die Steuereinnahmen fehlen. Für Donald Trump der Beweis dafür, dass die auf Treibhausgas-Vermeidung zielende Politik von Obama die Kohle-Industrie „stranguliert“ hat. Vor allem der „Clean Power Plan“, der bis zum Jahr 2030 den Ausstoß von Kohlendioxid in Kraftwerken im Vergleich zu 2005 um über 30 Prozent senken helfen soll, ist dem neuen Mann im Weißen Haus ein Dorn im Auge.

Ihn abzuschaffen, so versprach er es vor wenigen Tagen wieder Kohle-Arbeitern in Kentucky, werde dem Bergbau dauerhaft Perspektiven eröffnen. Obendrein will der Präsident den Unternehmen neue Lizenzen für die Kohleförderung auf Ländereien in Bundesbesitz anbieten und generell von vielen Vorschriften bei der Produktion befreien. Dazu soll die Aufsichtsbehörde EPA auf ein Bonsai-Format zurückgeschnitten werden.

Trumps Euphorie hält der Realität nicht stand. „Es wird viele Klagen geben. Das wird Jahre dauern“, sagt Charlene Murdock über die Erfolgsaussichten der legislativen Rolle rückwärts. Der Energie-Riese Peabody Energy in St. Louis winkt bereits ab. „Wir brauchen für die nächsten zehn Jahre keine neuen Kohle-Reviere“, lässt sich Sprecher Vic Svec zitieren. Mit den bestehenden habe man genug Probleme.

Was nicht so sehr an der Umwelt-Bürokratie Obamas liege, erklärt Robert Godby – sondern am Markt. Dort, so der Energiewirtschafts-Experte an der Universität von Wyoming, hat das durch den Fracking-Boom gewonnene Gas, das sauberer zu produzieren ist, dem schwarzen Gold als Treibstoff für die Kraftwerke 2016 zum ersten Mal den Rang abgelaufen. Und einen alten Trend nochmals verstärkt. Waren Ende der 70er Jahren mehr als 250.000 Menschen in den USA im Bergbau beschäftigt, sank die Zahl zuletzt auf knapp über 50.000. Die Kohleproduktion selbst ist auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren. Im Gefolge sind Dutzende Kraftwerke abgeschaltet worden.

Automatisierung führt zu mehr Kohle mit weniger Kumpeln

Dass Donald Trump daran prinzipiell etwas ändern wird, sei nahezu ausgeschlossen, sagt Godby. Sollten die Erlasse des Präsidenten gerichtsfest werden, könnten Minen, die unter Obamas Gesetzgebung wohl schon sehr bald geschlossen worden wären, eine Verlängerung bekommen; „vielleicht ein Jahrzehnt“. Mit nennenswert mehr Beschäftigung werde das aber nicht einhergehen. „Die Unternehmen setzen auf Automatisierung.“

Mehr Kohle also mit weniger Kumpeln. Wie will Trump da sein Versprechen, das ihm von den Appalachen bis Wyoming Tausende Wähler aus dem Bergbau zugetrieben hat, erfüllen? Robert Murray, Chef des größten privaten Kohleförderers in den USA, lobt zwar die generelle Richtung Trumps, weil sie der Branche Luft verschaffe. „Was die Jobs angeht, sollte der Präsident aber seine Erwartungen zügeln.“

Andere Kohle-Lobbyisten gehen noch einen Schritt weiter. Ihnen behagt nicht, dass Trumps Budget-Direktor Mick Mulvaney gerade erst verkündete: „Für Klimawandelforschung geben wir künftig kein Geld mehr aus. Das wäre Verschwendung.“ Wer in Gillette mit Kohle-Kumpeln spricht, findet kaum jemanden, der den wissenschaftlichen Konsens über den menschengemachten Klimawandel anzweifelt. „Der Einfluss ist bewiesen“, sagt der Ingenieur John Dillinger, „das Thema ist, wie man sinnvoll gegensteuern und die Kohle sauberer machen kann.“ Wyomings Gouverneur Matt Mead träumt in Gillette von einer Pionieranlage, die das Abtrennen und Speichern von schädlichem Kohlendioxid unter der Erde und den Einsatz von Kohle bei der Öl-Gewinnung vorexerziert.

Dazu, sagt der Republikaner, braucht es „mehr Forschung.“ Nicht weniger.