Berlin. Landeskriminalamt alarmierte NRW-Innenminister neun Monate vor dem Attentat

Neun Monate, bevor der Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen in Berlin zwölf Menschen tötete, haben Sicherheitsbehörden bereits dringend vor einem bevorstehenden Anschlag des Tunesiers gewarnt. Wie jetzt bekannt wurde, alarmierte das Landeskriminalamt in Düsseldorf bereits im März 2016 das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen.

Wörtlich heißt es in dem LKA-Schreiben, aus dem die „Bild am Sonntag“ zitiert, dass „nach den bislang vorliegenden, belastbaren Erkenntnissen zu prognostizieren ist, dass durch Amri eine terroristische Gefahr in Form eines (Selbstmord-)Anschlages ausgeht“. Deshalb habe das LKA vorgeschlagen, eine Abschiebung anzuordnen. Die Ermittler regten sogar ausdrücklich den Erlass einer Abschiebeanordnung nach Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes an. Dieser sogenannte Terror-Paragraf gilt als schärfstes Schwert der deutschen Sicherheitsbehörden im Umgang mit islamistischen Gefährdern.

Das Innenministerium folgte der Anregung des LKA jedoch nicht und stellte bei keinem Gericht einen Antrag auf Abschiebeanordnung gegen Amri. Der Tunesier hatte am 19. Dezember einen Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert, ein Dutzend Menschen getötet und rund 50 verletzt.

Jäger hatte bislang erklärt, der Rechtsstaat sei im Umgang mit Amri „bis an seine Grenzen“ gegangen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Abschiebeanordnung seien nicht gegeben gewesen. Außerdem hätten die Behörden in Tunesien lange Zeit keine Ersatzpapiere ausgestellt. Erst zwei Tage nach dem Attentat an der Berliner Gedächtniskirche waren die Ausweispapiere eingetroffen.

CDU und FDP warfen NRW-Innenminister Jäger erneut Versagen vor. „Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass sich der nordrhein-westfälische Landesinnenminister Jäger nicht aus der Affäre Anis Amri ziehen kann“, erklärte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer, am Sonntag. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl forderte ein konsequenteres Vorgehen gegen islamistische Gefährder. „Im Umgang mit Gefährdern müssen wir das höchste Maß an Entschlossenheit zeigen“, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende dieser Zeitung. Das „laxe Vorgehen“ mancher Bundesländer bei Abschiebungen könne er nicht nachvollziehen. „Mir fehlt jegliches Verständnis dafür“, betonte er. Der Fall Amri müsse „gründlichst und systematisch aufgearbeitet werden“, so Strobl. „Man muss sehr genau untersuchen, ob es an irgendeiner Stelle ein Versagen der Behörden gegeben hat.“