Der meistgesuchte Sohn des getöteten Machthabers Gaddafi, Seif al Islam, ist festgenommen worden. Auch Ex-Geheimdienstchef gefasst.

Tripolis. Der meistgesuchte Sohn des einstigen libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi ist nach Monaten auf der Flucht im Süden des Landes festgenommen worden: Seif al Islam wurde am Wochenende im Süden des Landes festgenommen. Truppen des Übergangsrats setzten ihn einen Monat nach der Tötung seines Vaters in der Wüste fest, als er offenbar Richtung Niger fliehen wollte. Am Sonntag wurde auch die Festnahme des ehemaligen Geheimdienstchefs Abdullah al Senussi gemeldet. Gegen beide Männer liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Die libysche Übergangsregierung kündigte in einer umstrittenen Entscheidung an, Seif al Islam Gaddafi nicht an den IStGH auszuliefern. Das libysche Volk wolle Seif al Islam in Libyen vor Gericht sehen, sagte Informationsminister Mahmud Schammam am Sonntag. Er habe Verbrechen gegen das libysche Volk begangen.

IStGH-Chefankläger Luis Moreno Ocampo sagte, er werde am (morgigen) Montag nach Libyen reisen und mit dem Nationalen Übergangsrat über den Ort des Prozesses sprechen. Die nationalen Regierungen hätten das Recht, ihre eigenen Bürger wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen. Sein Ziel sei es, ein faires Verfahren gegen Seif al Islam sicherzustellen, sagte Ocampo weiter.

Schammam sagte, der Übergangsrat werde seine Entscheidung mit Ocampo diskutieren. Bis zum Prozess werde noch einige Zeit vergehen, aber das sei normal. Menschenrechtsorganisationen forderten, Seif al Islam nach Den Haag zu überstellen. Human Rights Watch verwies auf die Tötung seines Vater Muammar al Gaddafi und seines Bruders Muatassim am 20. Oktober, die Anlass zur Sorge gebe. Seif al Islam befindet sich derzeit in der Stadt Sintan, rund 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Tripolis, in Haft.

Wie Schammam am Sonntag mitteilte, wurde Ex-Geheimdienstchef al Senussi am Sonntag von Kämpfern der Revolutionsstreitkräfte aus der südlichen Region Fasan lebend gefasst. Der amtierende libysche Ministerpräsident Abdel Rahim al-Kib äußerte die Hoffnung, dass mit der Festnahme von Seif al Islam Gaddafi eine neue Ära beginnen werde. "Ich bin guter Hoffnung, dass die Ergreifung von Gaddafis Sohn den Beginn eines Kapitels der Transparenz, Demokratie und Freiheit einläutet“, sagte er auf einer Pressekonferenz in Sintan.

Adel al Sintani von den Sintan-Brigaden, die den Konvoi des Gaddafi-Sohnes entdeckt hatten, erklärte, Seif al Islam sei um vier Uhr morgens nach einem Feuergefecht westlich der Stadt Obari festgesetzt worden. "Er trug Tuareg-Kleidung“, sagte er. Bei einem Luftangriff der Nato habe Seif al Islam Verletzungen am Daumen und zwei Fingern davongetragen. Ansonsten sei er bei guter Gesundheit, erklärte ein Sprecher der Sintan-Brigaden, Osama Dschuwaid. In Tripolis und anderen libyschen Städten löste die Nachricht von der Festnahme Jubel aus. Vielerorts feuerten die Menschen Freudenschüsse ab. "Dies ist ein Tag des Sieges, dies ist der Tag der Befreiung, endlich ist der Sohn des Tyrannen gefasst“, sagte der Ingenieur Mohammed Ali auf dem Märtyrer-Platz der Hauptstadt. "Jetzt sind wir frei.“

Seif al Islam wurde 1972 geboren und ist das älteste Kind von Muammar und Safija al Gaddafi. Während er zu Beginn seiner politischen Karriere als Reformer galt, unterstützte er während des Aufstands das brutale Vorgehen seines Vaters gegen die Aufständischen. Nach dem Sieg der Rebellen war Seif al Islam untergetaucht. Zuletzt war berichtet worden, dass er mit Tuareg-Nomaden an der Grenze zu Mali unterwegs sei. Die USA bezeichneten die Festnahme des Gaddafi-Sohns als Chance für Libyen. Das Ergreifung des Gesuchten und sein Prozess könnten einen weiteren Schritt aus einem dunklen Kapitel der libyschen Geschichte darstellen, erklärte das Außenministerium in Washington am Sonnabend.

Der britische Außenminister William Hague bezeichnete die Festnahme Seif al Islams als wichtigen Schritt auf dem Weg zur libyschen Vergangenheitsbewältigung. „Seine Festnahme wird es dem libyschen Volk ermöglichen, die Herausforderung des Wiederaufbaus anzunehmen.“

Von Hadeel Al-Shalchi und Rami Al-Shaheibi