Berlin.

Was heißt für dich Familie? Aus welchem Land kommen deine Eltern? Nie zuvor war eine junge Generation so vielfältig: Jeder dritte der rund 22 Millionen jungen Deutschen unter 27 Jahre kommt aus einer zugewanderten Familie, immer weniger wachsen in traditionellen Elternhäusern auf – und für immer mehr ist öffentliche Betreuung von Anfang an die Regel. Der „Kinder- und Jugend-Monitor 2017“ der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) wirft ein Schlaglicht auf die Situation der „Generation U27“. Zehn Stichworte, die in den nächsten Jahren wichtig bleiben werden:

Lust auf Politik Die allermeisten jungen Deutschen sind mit der Demokratie zufrieden, viele engagieren sich auch – jedoch vor allem in kurzfristigen Initiativen statt in Parteien. Das Vertrauen in die etablierte Politik ist bei vielen eher niedrig, 85 Prozent der 15- bis 25-Jährigen wünschen sich „mehr junge Leute in der Politik“. Die Autoren des Monitors fordern daher die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. „Sie müssen früher mitmischen dürfen“, sagt Karin Böllert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- Jugendhilfe (AGJ).

In Europa zu Hause Sie fühlen sich stärker als Europäer als die Generationen vor ihnen, immer mehr Jugendliche wollen zudem über den deutschen Tellerrand blicken: Zuletzt hatte fast jeder Zehnte mit 17 Jahren bereits ein Auslandsschuljahr absolviert, zwischen 2004 und 2012 stieg die Zahl der Studenten mit Auslandssemester von 40.000 auf über 107.000 an.

Vater, Mutter, Kind Das traditionelle Familienbild erodiert: 35 Prozent werden in Familien geboren, in denen die Eltern alleinerziehend sind, ohne Trauschein zusammenleben oder in einer homosexuellen Lebenspartnerschaft leben. Zuletzt lebten 2,3 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bei alleinerziehenden Eltern.

Chancengleichheit 3,7 Millionen Kinder gelten laut Monitor als sozial abgehängt oder armutsgefährdet – vier Prozent weniger als vor zehn Jahren, so Böllert. Die Chancen für Kinder aus sozialschwachen Familien wachsen – aber eben nur sehr langsam: „Startchancen werden nach wie vor vererbt.“ Bei jedem zehnten Kind waren 2014 beide Eltern arbeitslos, ebenso viele wuchsen in Familien auf, bei denen weder Vater noch Mutter eine abgeschlossene Berufsausbildung hatten. Immerhin: Die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss ist gesunken.

Der Staat erzieht mit Seit der Jahrtausendwende haben sich die staatlichen Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe mehr als verdoppelt – auf heute über 40 Milliarden Euro pro Jahr. Pro Kind sind das im Schnitt 1850 Euro oder fünf Euro am Tag. Der größte Teil fließt in die Kindertagesbetreuung, deutlich gestiegen sind aber auch die Ausgaben für Erziehungshilfen – über eine Millionen junge Deutsche profitieren von Beratung und Betreuung in familiären Notlagen.

Generation Kita Fast alle Kinder über drei Jahre gehen heute in die Kita, bei den unter Dreijährigen ist es inzwischen bereits jedes dritte Kind. Der Bedarf ist damit noch längst nicht erfüllt – auch die Qualität hinkt oft hinterher. Der Monitor erinnert deswegen an die Vorgabe der OECD: Ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollte für frühkindliche Bildung ausgegeben werden. Um das zu erreichen, müsste Deutschland noch 13 Milliarden Euro zusätzlich investieren.

Flüchtlingskinder Um die Integration zu fördern, verlangen die Experten der AGJ Kita-Plätze für alle Flüchtlingskinder in Deutschland. Insgesamt gebe es 120.000 Flüchtlingskinder unter sechs Jahren. Da ihre Eltern in der Regel nicht berufstätig sind, haben sie keinen Rechtsanspruch auf einen Platz.

Trend zur Ganztagsschule Vier von zehn Schülern besuchen heute eine Ganztagsschule. Doch während unumstritten ist, dass der Nachmittagsunterricht die Vereinbarkeit von Job und Familie für berufstätige Eltern erleichtert, ist unklar, ob Ganztagsschulen auch die Bildungschancen vergrößern. Die Autoren des Monitors sind skeptisch: „Die Ganztagsschule hält ihr Versprechen nicht.“ Eine Verbesserung der Schulleistungen sei bis jetzt nicht nachgewiesen worden. Vor allem ältere Schüler fänden das Nachmittagsangebot langweilig. Die Wünsche von Kindern und Eltern sollten stärker einbezogen werden, fordert die AGJ.

Auslaufmodell Freizeitzentrum Zwischen 1998 und 2014 ist die Zahl der Jugendzentren um rund 1000 auf circa 7000 Einrichtungen zurückgegangen, die Zahl der Beschäftigten sogar von rund 27.500 auf 19.700. Viele Angebote werden laut Monitor heute im Nachmittagsprogramm der Schulen aufgefangen. Immerhin jeder zehnte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren besucht noch regelmäßig solche Treffs.

Stotter-Start ins Berufsleben Junge Erwachsene sind häufiger arbeitslos und öfter befristet beschäftigt als Ältere. Etwa sechs Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 20 und 25 Jahren haben laut Monitor weder Job noch einen Bildungs- oder Ausbildungsplatz. Im europäischen Vergleich steht das Land damit allerdings noch gut da.