Athen/Berlin. Der türkische Präsident wirft der Kanzlerin „Nazi-Methoden“ vor – Verteidigungsminister fragt nach deutscher Beteiligung am Putschversuch

Der Krieg der Worte zwischen Ankara und Berlin jagt von einem Höhepunkt zum nächsten. Vor zwei Wochen hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Deutschland „Nazi-Praktiken“ vorgeworfen. Am Sonntag legte Erdogan nach und ging Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich an. „Du wendest auch gerade Nazi-Methoden an“, sagte er in Istanbul an Merkel gerichtet. „Bei wem? Bei meinen türkischen Geschwistern in Deutschland, bei meinen Minister-Geschwistern, bei meinen Abgeordneten-Geschwistern, die dorthin reisen“, erklärte Erdogan.

Mit Blick auf Europa meinte der Staatschef, dort könnten „Gaskammern und Sammellager“ wieder zum Thema gemacht werden, aber „das trauen sie sich nur nicht.“ Offen ließ er, wen er mit „sie“ genau meinte. Die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner reagierte entsetzt auf die neuen Ausfälle gegen Merkel: „Ist Herr Erdogan überhaupt noch ganz bei Sinnen?“, fragte sie. Auf die Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker reagiert die Türkei seit Wochen mit immer schärferen Ausfällen. Am 16. April wird dort über die Einführung eines Präsidialsystems abgestimmt, das Erdogans umfassende Machtbefugnisse einräumen soll. In Deutschland leben rund 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken. Sie könnten bei einem knappen Ergebnis das Zünglein an der Waage spielen.

Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, wies die Ausfälle Erdogans scharf zurück. „Präsident Erdogans Attacken werden mit jedem Tag bizarrer. Mit dieser aggressiven Politik schadet er seinem eigenen Land am meisten. Der Stolz einer Nation kann nicht durch das Beleidigen anderer verteidigt werden. Europa steht zusammen. Wir werden uns nicht provozieren lassen“, sagte Weber dieser Zeitung.

Bundesaußenminister Sigmar Ga­briel (SPD) drohte türkischen Politikern am Wochenende erneut mit einem Auftrittsverbot, sollten sie sich in der Wortwahl vergreifen. Das Saarland, in dem am 26. März gewählt wird, hat als bislang einziges Bundesland Auftritte verboten.

Heftige Angriffe richtete Ankara auch gegen den Bundesnachrichtendienst (BND). Der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik wies in scharfer Form die vom deutschen Auslandsgeheimdienst geäußerten Zweifel an den Hintergründen des Putschversuchs in der Türkei vom Juli 2016 zurück. Wenn der BND die Version der türkischen Regierung vom Tisch wische, dass die islamisch-konservative Gülen-Bewegung Drahtzieher des gescheiterten Putsches sei, werfe dies die Frage auf, „ob nicht der deutsche Geheimdienst hinter diesem Putsch steckt“, sagte Isik.

BND-Chef Kahl hatte Ankara im „Spiegel“ vorgeworfen, keine ausreichenden Beweise für die Vorwürfe gegen die Gülen-Bewegung vorgelegt zu haben. Zudem drehte Kahl die türkische Argumentation um: Der Putsch sei nicht Auslöser, sondern „willkommener Vorwand“ für Massenentlassungen gewesen, die ohnehin geplant gewesen seien. „Deshalb dachten Teile des Militärs, sie sollten schnell putschen, bevor es auch sie erwischt. Aber es war zu spät“, erklärte Kahl. Erdogansprecher Kalin wertete dies als weiteren Hinweis, dass Deutschland die Gülen-Bewegung „unterstützt“.

Rund 30.000 Kurden demonstrierten am Sonnabend in Frankfurt am Main friedlich gegen die Referendumspläne Erdogans. Erdogansprecher Kalin warf daraufhin der Bundesregierung vor, der PKK zu helfen.