Washington. Angela Merkel traf in Washington erstmals US-Präsident Donald Trump. Eine Begegnung, die Überraschungen brachte

Es ist eine geschäftsmäßige Begrüßung, bestenfalls. Nach dem Händeschütteln vor dem Weißen Haus ist für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die nächste Station der Fototermin im Oval Office. Vor einem Gespräch unter vier Augen posieren Merkel und Donald Trump am Freitag vor dem Kamin im Amtszimmer des US-Präsidenten. Merkel dreht sich zu Trump fragt: „Handshake?“ Doch Trump bleibt sitzen, wirkt angespannt und ernst. Er blickt nach links oder geradeaus, jedoch nicht zu Merkel. Die Kanzlerin versucht mehrmals, Blickkontakt mit dem Präsidenten aufzunehmen. Doch der bleibt unbeweglich sitzen, zeigt ihr fast die kalte Schulter. Auf die Frage, wie die bisherigen Gespräche gewesen seien, antworten beide: „Sehr gut.“ Die Körpersprache signalisiert jedoch etwas anderes.

Bei der später stattfindenden Pressekonferenz vor dem Weißen Haus ist die Tonlage versöhnlicher. Trump dankt den deutschen Unternehmen, die in den USA produzieren, für ihr „großartiges Ausbildungssystem“. Er bekennt sich als „großer Unterstützer“ der Nato. Und er dankt der Kanzlerin für den Beitrag Deutschlands im Kampf gegen den Terror. Er fordert allerdings die Einhaltung der beim Nato-Gipfel 2014 gegebenen Zusage, bis 2014 zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu stecken.

Hier ist ihm Merkel bereits einen Schritt entgegengekommen: Sie hat sich zum Zwei-Prozent-Ziel bekannt. Nach aktuellem Stand wären das jährlich 25 Milliarden Euro zusätzlich. Sie will jetzt Wort halten und erhofft sich, dass Trump ihr in einer anderen Streitfrage entgegenkommt und die Drohung mit Strafzöllen auf deutsche Exporte zumindest zurückstellt. So würden beide einen Erfolg erzielen und Zeit gewinnen. Er kann später immer noch gegen den deutschen Handelsüberschuss angehen, und sie stellt etwas in Aussicht, was sie 2024 wohl kaum selbst einhalten wird, weil Merkel dann voraussichtlich nicht mehr im Amt ist. Vorerst bleibt sie glaubhaft, wenn sie den Etat der Bundeswehr aufstockt – die Richtung muss stimmen. Das kommt ihrer Vorstellung von einem „Deal“ nahe. Über die ersten Versuche einer Vertrauensbildung.

In der Handelsfrage geht Merkel variantenreich vor

Das Prinzip Geben und Nehmen greift ohnehin nicht durchgängig. Einige Differenzen bleiben, in Migrationsfragen, in der Zinspolitik. Merkel kann nicht leugnen, dass der Euro im Verhältnis zur US-Währung zu schwach ist; aus Trumps Sicht ein Ärgernis, weil so amerikanische Waren verteuert und Importe begünstigt werden. Merkel ist klar, dass sie für ihre Wirtschaft kämpfen muss. Die Verbände haben ihr vor der Abreise ein symbolisches Geschenk gemacht: Handschuhe. Sie muss sich warm anziehen, nicht nur wegen des Schneesturms, der Washington heimgesucht und die Kanzlerin am Montag gezwungen hatte, ihren Abflug um drei Tage zu verschieben.

In der Handelsfrage geht Merkel variantenreich vor. Erst mal gilt es: Zeit gewinnen, Trump kennenlernen, ihn für sich einnehmen. Wie? Mit einem Projekt. Das hat sie Justin Trudeau abgeschaut. Der kanadische Premier hatte dem Amerikaner ein Frauenförderprojekt vorgeschlagen; wohlwissend, dass er damit zugleich die einflussreiche Präsidententochter Ivanka für sich einnehmen würde. Merkel kam auf die Idee, Trump für ein Treffen mit jeweils drei Unternehmern auf beiden Seiten zu gewinnen, wobei die deutschen Firmenbosse von BMW, Siemens und Schaeffler – Harald Krüger, Joe Kaeser und Klaus Rosenfeld – jeweils mit einem Auszubildenden im Weißen Haus erscheinen. Sie werben für die duale Ausbildung, ein Exportschlager.

Sollte Trump trotzdem auf einen Währungs- oder Handelskrieg aus sein, dann wäre eine abgestimmte Antwort der gesamten EU fällig. Die Strategie zielt auf Handelsabkommen mit Japan, Australien, den Mercosur-Staaten Südamerikas ab, am Ende womöglich auch mit China. Motto: Wenn man Trumps Protektionismus schon nicht stoppen kann, dann sollte man den Mann wenigstens isolieren.

Ivanka Trump sitzt beim Gespräch neben Merkel

Nach der Eintragung in das Gästebuch geht Merkel mit Trump für ein Vier-Augen-Gespräch ins Oval Office. Eine halbe Stunde später kommen die Delegationen hinzu.

Merkel wird von ihren Spitzenbeamten begleitet, allen voran Christoph Heusgen (Außenpolitik) und Lars-Hendrik Röller (Wirtschaft). Das Team des Präsidenten hat mehr Gewicht: Vizepräsident Mike Pence, Stabschef Reince Priebus, Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, Chefstratege Steve Bannon, nicht zuletzt Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Auch Ivanka Trump ist beim Gespräch mit den Firmenbossen und beim gemeinsamen Mittagessen dabei. Sie sitzt neben Merkel.

Die Gäste haben zwei Trump-Leute besonders im Auge. Da ist McMaster, weil er als Soldat in Deutschland gelebt und es in guter Erinnerung behalten hat. Und da ist der Wirtschaftsberater Gary Cohn, jahrelang die Nummer zwei bei der Bank Goldman Sachs. Bei ihm dürften die ökonomisch relevanten Entscheidungen zusammenlaufen. Aber sind sie ein Gegenwicht zu Bannon, zum Scharfmacher in der Runde?

Auf Merkels Seite spielt Röller einen Sonderpart. Er ist ihr „Sherpa“ beim G-20-Gipfel in Hamburg und auch ihr ökonomischer Sparringspartner. Von ihm hat sie alle Fakten: dass die Deutschen Waren im Wert von 107 Milliarden Euro in die USA verkaufen, doppelt so viel wie die Amerikaner nach Deutschland exportieren; dass die USA neben China und Frankreich größter Handelspartner sind; dass deutsche Unternehmen über die Jahrzehnte 271 Milliarden Euro in den USA investiert haben, ein Vielfaches mehr als umgekehrt. Diese Investitionen fließen in US-Standorte, schaffen Jobs für Amerikaner, laut Bundesbank 810.000.

BMW ist ein Musterbeispiel: Kein anderer Hersteller fertigt hier mehr Autos, den X3 für den gesamten Weltmarkt. Der US-Autohersteller GM importiert mehr Teile als BMW. Wer also wird Trumps Devise „America First“ eher gerecht, BMW oder GM? Nationale Kategorien zählen eigentlich nicht viel in der Globalisierung. Der Geschäftsmann Trump müsste das wissen. Trump, der Baulöwe, hat es als Local Hero womöglich nie wirklich gelernt.