Berlin.

Joachim Gauck macht schon etwas früher Schluss. Offiziell endet die Amtszeit des Bundespräsidenten erst in der Nacht zu Sonntag, aber sein Büro im Schloss Bellevue hat er bereits am Donnerstag geräumt. „Nach dem Zapfenstreich fällt der Hammer“, hat Gauck gut gelaunt verkündet, am Freitagabend war es so weit: Die Bundeswehr verabschiedete den Präsidenten mit einem Großen Zapfenstreich im Schlosspark. 600 Gäste waren zu Gaucks Ehren gekommen, auch das halbe Bundeskabinett erschien – die Kanzlerin allerdings fehlte. Angela Merkel war wegen ihres Washingtonbesuchs entschuldigt. Doch erinnerte ihr Fernbleiben ein wenig auch daran, dass sie Gauck als Präsidenten gern verhindert hätte – was nichts daran änderte, dass sie dann doch gut mit ihm zusammenarbeitete.

Drei Lieder durfte sich Gauck, einer Tradition folgend, vom Musikkorps der Bundeswehr wünschen. Er zeigte mit der Auswahl seine vielfältigen Wurzeln als Freiheitslehrer, ehemaliger DDR-Bürger und Pastor: Zwischen Serenade und dem eigentlichen Zapfenstreich erklangen für ihn das Volkslied „Freiheit, die ich meine“, der Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ und die Ostrock-Hymne „Über sieben Brücken musst du gehen“ der Band Karat – dabei kämpfte Gauck mit den Tränen.

Er hat dem Amt die Würde zurückgegeben

Da machte sich doch noch Wehmut breit beim Staatsoberhaupt. Gauck war ja mit Freude Präsident. Der 77-Jährige hätte gern noch eine zweite Amtszeit drangehängt, wenn er nicht altersbedingte Gesundheitsbeschwerden befürchtet hätte. „Ich bin noch voller Leidenschaft“, sagt er. Aber er hat auch die Bürde des Amtes gespürt, die Belastung war größer als erwartet. So ist bei ihm am Ende doch eine gewisse Erleichterung zu spüren. Er freue sich auf Erholung, Entspannung, eine „Verschnaufpause“, gesteht Gauck. Und darauf, „mal ganz spontan auf die Straße zu gehen, durch Läden zu bummeln oder mit dem Fahrrad um den Block zu fahren“.

Am meisten vermissen wird er umgekehrt die vielen Begegnungen. Diese Woche in Mecklenburg-Vorpommern bei seinem letzten offiziellen Besuchstermin genoss der Präsident das Bad in der Menge, drückte die Hände von Passanten, schrieb Autogramme, posierte für Selfies. Gauck warb noch einmal für bürgerschaftliches Engagement. In Stralsund lobte er: „Dieses Land ist durchzogen von einem Netzwerk der Guten“, das sei ihm im Lauf seiner Amtszeit bewusst geworden. Dass man „dieses andere, funktionierende, gute und engagierte Deutschland“ kennenlernen könne, immer wieder mit engagierten Bürgern zusammenkomme, sei „das Schönste am Präsidentenamt“.

So endete seine letzte Rede als Staatsoberhaupt mit einem Dank an alle Ehrenamtler: „Ich danke Ihnen, dass Sie dieses unser Vaterland schön gemacht haben und schön machen. Bleiben Sie dabei.“ Was bleibt von ihm? Die Mehrheit der Deutschen wird ihn als guten, vielleicht sogar besonders guten Präsidenten in Erinnerung behalten. Einer, der dem Amt nach den unglücklichen Abgängen von Christian Wulff und Horst Köhler Würde zurückgegeben hat. Und der als Staatsoberhaupt ungewöhnlich viel Emotionen zeigte.

Gauck selbst möchte, dass die Deutschen vor allem einen Satz mit ihm verbinden: „Die Freiheit der Erwachsenen heißt Verantwortung.“ Als wichtigste Rede gilt sein Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014, bei dem er eine größere, notfalls auch militärische Verantwortung Deutschlands in der Welt anmahnte. Auch sonst hat er in der Außenpolitik Akzente gesetzt, ohne der Regierung ins operative Geschäft zu greifen: Er warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schon 2014 vor, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu verletzen, und äußerte sich frühzeitig besorgt über US-Präsident Donald Trump. Auf eine Reise nach Russland verzichtete er bewusst.

Das Amt hat ihn verändert, die Zeiten haben ihn skeptischer gemacht: „Ich bin nicht mehr so optimistisch, wie ich gern sein möchte“, sagt Gauck. Er sei jetzt stärker als am Anfang vom Bewusstsein beeinflusst, dass dem demokratischen und stabilen Deutschland auch Gefahren drohten. Das wird ihn auch künftig beschäftigen. In der ersten Zeit will er sich jetzt zwar öffentlich zurückhalten, aber er wird weiter seine Stimme erheben. Klar ist schon, dass er wieder im Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ mitmischen will, über andere Aufgaben denkt er noch nach. „Ich bleibe in Berlin, weil ich wahrscheinlich noch an diesen oder jenen Stellen in Deutschland gefragt sein werde“, hat Gauck in Stralsund erklärt.

Bis Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt eine passende Wohnung gefunden haben, bleiben sie noch ein paar Monate in der Dienstvilla in Berlin-Dahlem wohnen – erst danach zieht dort sein Nachfolger Frank-Walter Steinmeier mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender ein. Am Sonntagmittag wird Gauck im Schloss Bellevue Steinmeier zur symbolischen Amtsübergabe empfangen – getroffen haben sie sich dort schon mehrmals zum Gespräch. So weiß Gauck das Amt in guten Händen. Er ist sicher: „Nach mir wird jemand kommen, der dieses Amt gut ausfüllt.“