Washington.

Es ist eine geschäftsmäßige Begrüßung, bestenfalls. Nach dem Händeschütteln vor dem Weißen Haus ist für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die nächste Station der Fototermin im Oval Office. Vor einem Gespräch unter vier Augen posieren Merkel und Donald Trump am Freitag vor dem Kamin im Amtszimmer des US-Präsidenten. Merkel, die ein türkisfarbenes Jackett trägt, dreht sich zu Trump und fragt: „Handshake?“ Doch der Präsident bleibt mit geradem Rücken sitzen, wirkt angespannt und aufgekratzt. Die Kanzlerin lehnt sich daraufhin zurück und zieht die Mundwinkel nach unten. Trump schaut nach links oder geradeaus, jedoch nicht zu Merkel.

Die Kanzlerin sucht den Blickkontakt – vergeblich

Die Kanzlerin versucht danach mehrmals, Blickkontakt mit dem Präsidenten aufzunehmen. Doch der bleibt unbeweglich sitzen, zeigt ihr fast die kalte Schulter. Die Chemie stimmt nicht. Die beiden fremdeln miteinander. Die Atmosphäre ist frostig, steif und kühl.

Bei der später stattfindenden Pressekonferenz vor dem Weißen Haus ist die Tonlage etwas versöhnlicher. Der Präsident bekennt sich als „großer Unterstützer“ der Nato. Im Januar hatte er noch das Bündnis als „obsolet“ bezeichnet. Und er lobt gegenüber der Kanzlerin den Beitrag Deutschlands im Kampf gegen den Terror. Er fordert allerdings die Einhaltung der beim Nato-Gipfel 2014 von allen Partnern gegebenen Zusage, bis 2024 zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu stecken.

Merkel reagiert sofort und bekräftigt ihr Versprechen, die Zwei-Prozent-Marke einzuhalten. „Wir werden auch weiter in dieser Richtung arbeiten“, sagt sie. In Afghanistan werde man „Hand in Hand“ kooperieren. Auch eine Fortsetzung des Einsatzes gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) kündigt sie an.

Als Trump von Journalisten gefragt wird, ob er immer noch glaube, von seinem Vorgänger Barack Obama mithilfe des britischen Geheimdienstes abgehört worden zu sein, antwortet er schlagfertig: „Was das Abhören der letzten Regierung angeht – ich denke, da haben wir etwas gemeinsam.“ Da branden in der Pressekonferenz Lacher auf, und auch die Kanzlerin muss schmunzeln. Der US-Geheimdienst NSA hatte 2013 Merkels Handy abgehört.

Bei der Handelspolitik sind die Unterschiede hingegen unübersehbar. Der Präsident wehrt sich gegen Abkommen, die dazu führen, dass „amerikanische Firmen zumachen“. Sie müssten fair sein. Am liebsten würde Trump ein Handelsabkommen nur mit Deutschland abschließen.

Aber da macht ihm Merkel einen Strich durch die Rechnung. Jeder Handelsvertrag der EU habe mehr Arbeitsplätze auf beiden Seiten geschaffen. „In diesem Geiste würde ich mich freuen, wenn wir die Verhandlungen mit den USA wieder aufnehmen könnten“, sagt sie und schickt ein leichtes Lächeln hinterher. Eine Anspielung auf die Gespräche über den transatlantischen Freihandelsvertrag TTIP, die noch unter Obama versandeten. Trump steht daneben und verzieht keine Miene. TTIP galt bei ihm bislang als Teufelszeug.

Die Kanzlerin hofft, dass der Präsident ihr für die Zusage, die Verteidigungsausgaben hochzufahren, in einer anderen Streitfrage entgegenkommt – und die Drohung mit Strafzöllen auf deutsche Exporte zumindest zurückstellt. Differenzen bleiben in Migrationsfragen oder in der Zinspolitik.

Beim Handelsthema geht Merkel variantenreich vor. Das hat sie Justin Trudeau abgeschaut. Der kanadische Premier hatte dem Amerikaner ein Frauenförderprojekt vorgeschlagen; wohlwissend, dass er damit zugleich die einflussreiche Präsidententochter Ivanka für sich einnehmen würde. Merkel kam auf die Idee, Trump für ein Treffen mit jeweils drei Unternehmern auf beiden Seiten zu gewinnen, wobei die deutschen Firmenbosse von BMW, Siemens und Schaeffler – Harald Krüger, Joe Kaeser und Klaus Rosenfeld – jeweils mit einem Auszubildenden im Weißen Haus erscheinen.

Trump lobt die Ausbildung deutscher Unternehmen

Sie werben für die duale Ausbildung, ein Exportschlager. Offenbar mit Erfolg. Trump dankt in der gemeinsamen Pressekonferenz den deutschen Unternehmen, die in den USA produzieren, für ihr „großartiges Ausbildungssystem“. Merkel, die fast ein bisschen überrascht scheint, nickt leicht.

Die Kanzlerin wird von ihren Spitzenbeamten begleitet, allen voran Christoph Heusgen (Außenpolitik) und Lars-Hendrik Röller (Wirtschaft). Das Team des Präsidenten hat mehr Gewicht: Vizepräsident Mike Pence, Stabschef Reince Priebus, Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, Chefstratege Steve Bannon, nicht zuletzt Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Auch Ivanka Trump ist beim Gespräch mit den Firmenbossen in einem Sitzungssaal des Weißen Hauses dabei. Sie nimmt direkt neben Merkel Platz.

Die Gäste haben zwei Trump-Leute besonders im Auge. Da ist McMaster, weil er als Soldat in Deutschland gelebt und es in guter Erinnerung behalten hat. Und da ist der Wirtschaftsberater Gary Cohn, jahrelang die Nummer zwei bei der Bank Goldman Sachs. Aber sind sie ein Gegenwicht zu Bannon, zum Scharfmacher in der Runde?

Auf Merkels Seite spielt Röller einen Sonderpart. Er ist ihr „Sherpa“ beim G20-Gipfel in Hamburg und auch ihr ökonomischer Sparringspartner. Von ihm hat sie alle Fakten: dass die Deutschen Waren im Wert von 107 Milliarden Euro in die USA verkaufen, doppelt so viel wie die Amerikaner nach Deutschland exportieren; dass die USA neben China und Frankreich größter Handelspartner sind; dass deutsche Unternehmen über die Jahrzehnte 271 Milliarden Euro in den USA investiert haben, ein Vielfaches mehr als umgekehrt. Diese Investitionen fließen in US-Standorte, schaffen Jobs für Amerikaner, laut Bundesbank 810.000.

BMW ist ein Musterbeispiel: Kein anderer Hersteller fertigt hier mehr Autos, den X3 für den gesamten Weltmarkt. Der US-Autohersteller GM importiert mehr Teile als BMW. Wer also wird Trumps Devise „America First“ eher gerecht, BMW oder GM? Nationale Kategorien zählen eigentlich nicht viel in der Globalisierung. Der Geschäftsmann Trump müsste das wissen. Trump, der Baulöwe, hat es als Local Hero womöglich nie wirklich gelernt.