Den Haag/Ankara. Nachdem die Niederlande Auftritte türkischer Minister verhinderten, riegelt die Türkei Botschaft und Konsulat der Niederlande ab.

Nach der Verhinderung des Auftritts der türkischen Familienministerin in Rotterdam hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Niederlanden Konsequenzen angekündigt. „Sie werden den Preis dafür bezahlen“, sagte Erdogan am Sonntag auf einer Preisverleihung in Istanbul. Die Türkei habe noch nicht das getan, was nötig sei.

Das Verhalten der niederländischen Behörden kritisierte Erdogan dagegen als „unanständig“. „Das wird nicht ohne Antwort bleiben“, sagte er. Der Westen sei „islamophob“ und habe sein wahres Gesicht gezeigt. Zuvor hatte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim angekündigt, die Antwort auf das Vorgehen der Niederlande werde in der „schwersten Art und Weise“ ausfallen.

Diplomatische Krise eskalierte am Samstag

Der Screenshot der Aufzeichnungen der niederländischen Rundfunkanstalt NOS.nl zeigt die türkische Familien- und Sozialministerin Fatma Betül Sayan Kaya (2.v.r): Erst nach Stunden war sie der Aufforderung der niederländischen Behörden gefolgt, aus Rotterdam abzureisen.
Der Screenshot der Aufzeichnungen der niederländischen Rundfunkanstalt NOS.nl zeigt die türkische Familien- und Sozialministerin Fatma Betül Sayan Kaya (2.v.r): Erst nach Stunden war sie der Aufforderung der niederländischen Behörden gefolgt, aus Rotterdam abzureisen. © dpa | Leyre Guijo

Die diplomatische Krise zwischen den Niederlanden und der Türkei war am Samstag und in der Nacht zu Sonntag eskaliert. Erst nach stundenlangen Verhandlungen gab die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya auf; sie war per Auto aus Deutschland angereist und von niederländischer Polizei am Betreten des Konsulats in Rotterdam gehindert worden. Am frühen Sonntagmorgen stieg sie aus ihrem blockierten Dienstwagen in ein anderes Fahrzeug um, um von der Polizei in Richtung Deutschland eskortiert zu werden.

Zuvor hatte die niederländische Regierung am Samstag dem Flugzeug von Außenminister Mevlüt Cavusoglu, der in Rotterdam ungeachtet einer klaren Absage der niederländischen Regierung im dortigen Konsulat eine Rede halten wollte, die Landung verweigert.

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    Rutte: Besuch der Ministerin war unverantwortlich

    In einer in der Nacht verbreiteten Erklärung stufte die niederländische Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte den Besuch der Ministerin als „unverantwortlich“ ein. Ihr sei schon vor ihrer Ankunft erklärt worden, dass ihr Wahlkampfauftritt im türkischen Konsulat „unerwünscht“ sei. „Dennoch entschied sie sich, zu reisen“, heißt es in der Erklärung, die vom Sender NOS dokumentiert wurde.

    Der Auftritt Cavusoglus im Konsulat wiederum sei durch die öffentliche Androhung von Sanktionen aus Ankara „unmöglich“ geworden. „Die Suche nach einer angemessenen Lösung erwies sich als unmöglich. Die verbalen Angriffe von den türkischen Behörden, die daraufhin erfolgten, sind nicht akzeptabel.“

    Erdogan beschimpft die Niederländer als Faschisten

    Cavusoglu hatte den Niederlanden für den Fall einer Behinderung seines geplanten Wahlkampfauftritts mit wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gedroht. Präsident Erdogan beschimpfte die Niederländer als „Faschisten“.

    Der Sprecher von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, twitterte als Reaktion auf einen Tweet des Rechtspopulisten Geert Wilders: „Schande über die niederländische Regierung“. Diese habe „anti-islamischen Rassisten und Faschisten“ nachgegeben und damit die Beziehungen beider Länder beschädigt. Die Ereignisse markierten einen „schwarzen Tag für die Demokratie in Europa“.

    Demonstration mit Wasserwerfern aufgelöst – Festnahmen

    Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb erklärte auf einer Pressekonferenz am frühen Sonntagmorgen, dass Ministerin Kaya zur „unerwünschten Ausländerin“ erklärt worden sei. Sie sei mit ihren Mitarbeitern und Leibwächtern von der Polizei in Richtung Deutschland eskortiert worden. Von dort aus flog sie zurück in die Türkei.

    Mit einem großen Polzeiaufgebot und Wasserwerfern löste die Polizei in Rotterdam die Demonstration auf.
    Mit einem großen Polzeiaufgebot und Wasserwerfern löste die Polizei in Rotterdam die Demonstration auf. © REUTERS | DYLAN MARTINEZ

    Aboutaleb hatte noch in der Nacht das gesamte Stadtgebiet von Rotterdam zur Sonderzone erklärt, in der Ansammlungen nicht gestattet sind. Am frühen Morgen setzte die Polizei Wasserwerfer und Schlagstöcke gegen die meist türkischen Demonstranten rund um das Konsulat ein, wie der Sender NOS berichtete.

    Die Beamten nahmen mehrere Demonstranten fest: Sie hätten Sicherheitskräfte mit Steinen und Blumentöpfen attackiert, berichtete die niederländische Nachrichtenagentur ANP. Die meisten der mehr als 1000 Demonstranten, die sich Samstagabend vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam versammelt hatten, seien friedlich abgezogen.

    Niederländische Flagge von Konsulat in Istanbul entfernt

    Eine türkische Fahne weht auf dem Dach des niederländischen Konsulats in Istanbul: Ein Demonstrant war am Sonntag in das hoch gesichert Gebäude eingedrungen und hatte die Fahne der Niederlande zwischenzeitlich durch die türkische Flagge ersetzt.
    Eine türkische Fahne weht auf dem Dach des niederländischen Konsulats in Istanbul: Ein Demonstrant war am Sonntag in das hoch gesichert Gebäude eingedrungen und hatte die Fahne der Niederlande zwischenzeitlich durch die türkische Flagge ersetzt. © dpa | -

    Ein Demonstrant ist am Sonntag in das niederländische Konsulat in Istanbul eingedrungen und hat die Fahne des Landes zwischenzeitlich durch die türkische Flagge ersetzt. Der Mann rief anschließend vom Dach der Vertretung „Gott ist groß“, wie auf einem Video der Nachrichtenagentur DHA am Sonntag zu sehen war. Er sei unerkannt entkommen. Die türkische Fahne wurde inzwischen abgenommen. Die niederländische Flagge wurde dann wieder gehisst.

    Wie der Mann in das hoch gesicherte Gebäude gelangen konnte, war zunächst unklar. Seit Samstagabend ist die Sondereinsatzpolizei vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul und vor der niederländischen Botschaft in Ankara postiert. Vor den abgeriegelten Vertretungen hatten nach der Verhinderung des Auftritts der Familienministern mehrere Tausend Menschen demonstriert. Das Außenministerium in Den Haag ermahnte die türkischen Behörden, für die Sicherheit niederländischer Diplomaten in dem Land zu sorgen.

    Politikwissenschaftler: Beide Seiten betreiben Wahlkampf

    Das türkische Außenministerium hatte zuvor schon den niederländischen Geschäftsträger in Ankara einbestellt. Ihm wurde mitgeteilt, dass eine Rückkehr des niederländischen Botschafters, der sich zurzeit nicht in der Türkei aufhält, unerwünscht sei.

    Der in Rotterdam lehrende Politikwissenschaftler Caglar Köseoglu kritisierte die Reaktionen auf beiden Seiten als opportunistisch. „Der Eklat hat sowohl Erdogan als auch (dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark) Rutte gedient. Beide machen damit in ihrem Sinne Wahlkampf.“ Auch würden sich viele Türkeistämmige jetzt von den Niederlanden ab- und der Türkei zuwenden. „Durch das Verbot und die Eskalation werden die Integrationsprobleme, die in den Niederlanden so oft diskutiert werden, nur noch schlimmer.“

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      Erdogan wirft deutschen Medien Falschmeldungen vor

      Erdogan warf am Sonntag den deutschen Medien vor, falsch über das angestrebte Präsidialsystem zu berichten. „Das deutsche Staatsfernsehen verbreitet Lügen und Falschmeldungen“, sagte er.

      Die Türken stimmen am 16. April in einem Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems ab, das Erdogan deutlich mehr Macht verleihen würde. Wahlkampfauftritte vor in Europa lebenden Türken waren in den letzten Tagen immer wieder abgesagt worden. Am Samstagnacht kam es in den Niederlanden zu einem Eklat, als ein Auftritt der türkischen Familienministerin Fatma Betül Sayan in Rotterdam verhindert und die Politikerin des Landes verwiesen wurde.

      Angesichts der diplomatischen Auseinandersetzung zwischen den Niederlanden und der Türkei kam es in der Nacht zum Sonntag auch zu spontanen Protestkundgebungen in Deutschland. Mehrere hundert Menschen demonstrierten in Berlin vor der niederländischen Botschaft sowie in Düsseldorf vor dem Generalkonsulat der Niederlande.

      Türkischer Außenminister tritt in Frankreich auf

      Nach seiner Abfuhr in den Niederlanden wird Außenminister Cavusoglu am Sonntag vor Landsleuten in Frankreich auftreten. Dazu traf der Minister bereits am Samstagabend in Frankreich ein, wie er twitterte. Die von einem örtlichen türkischen Verband organisierte Veranstaltung sei vom französischen Außenministerium genehmigt worden, berichteten französische Medien.

      Schweden über türkische Wahlkampfveranstaltungen beunruhigt

      Inzwischen sorgen auch in Schweden geplante Wahlkampfveranstaltungen türkischer Politiker für Verunsicherung. Ein Stockholmer Lokal, in dem der türkische AKP-Parteipolitiker Mehmet Mehdi Eker am Sonntag auftreten wollte, sagte die Veranstaltung ab. Einem Bericht des schwedischen Rundfunks SVT zufolge wollte der Gastwirt nicht, dass sein Lokal in die politischen Diskussionen in der Türkei hineingezogen wird.

      Eine andere Wahlkampfveranstaltung im Raum Stockholm lief am Sonntagvormittag ohne Störungen ab. Eker plante mehrere Auftritte in der schwedischen Hauptstadt. Ein Polizeisprecher sagte der Deutsche Presse-Agentur, man sei in erhöhter Bereitschaft. Verboten sind solche Veranstaltungen in Schweden nicht. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte dem SVT: „Wir haben Meinungsfreiheit in Schweden und alle haben das Recht, Reden zu halten und sich zu treffen.“ (dpa/rtr)