Berlin.

Familien können sich in vielen Großstädten keine passende Wohnung mehr leisten, Sozialwohnungen sind rar, Verlierer gibt es in allen Altersgruppen: Will die 75-jährige Rentnerin aus ihrer 90-Qudratmeter-Wohnung mit dem jahrzehntealten Mietvertrag ausziehen, weil ihr die drei Zimmer zu viel werden, muss sie in begehrten Lagen für 40 Quadratmeter nebenan heute oft das Doppelte zahlen. Die neuesten Zahlen des Bauministeriums zeigen nun: Daran wird sich auch in Zukunft nur sehr langsam etwas ändern.

Sicher, nicht überall in Deutschland herrscht Wohnungsnot: In 70 bis 80 Prozent der Regionen ist die Lage nach Schätzungen des Bauministeriums eher entspannt. Doch in Großstädten und Ballungsräumen hat sich der Wohnungsmarkt für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen rasant verschärft. 350.000 neue Wohnungen müssten pro Jahr entstehen, um den Bedarf zu decken, kalkuliert das Bauministerium, ein Fünftel davon Sozialwohnungen. Doch bislang wird nur ein Bruchteil davon fertig. In einem Regierungsbericht auf Basis einer Anfrage der Linke-Fraktion zieht das Bauministerium jetzt Bilanz.

Um den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln, hatte der Bund seine Fördermittel zuletzt deutlich aufgestockt: Bis 2015 gab es 500 Millionen Euro, im letzten Jahr bereits eine Milliarde, für die Jahre 2017 und 2018 stehen jeweils 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Jahr 2015 entstanden laut Ministerium mithilfe dieser Mittel bundesweit rund 14.700 neue Sozialwohnungen. Davon 5583 in NRW, 1014 in Berlin, 2041 in Hamburg, 599 in Niedersachsen und 56 in Thüringen. Die Länder verwendeten das Geld aber auch für Modernisierungen des Altbestandes – insgesamt wurden rund 23.000 Wohnungen mithilfe von Bundesmitteln aufgewertet: In NRW waren es 2883, in Berlin 7827, in Hamburg 2712, in Niedersachsen 194 und Thüringen 280 Wohnungen.

Die Länder, so beklagt es Baustaatssekretär Florian Pronold, sind jedoch nicht verpflichtet, Auskunft darüber zu geben, wie sie die Bundesmittel im Einzelnen verwenden. Der Effekt: „Sie gehen sehr unterschiedlich mit den Geldern um.“ Bayern etwa habe gerade entschieden, angesichts der zusätzlichen Geldspritze vom Bund die eigenen Landesmittel zu reduzieren. Das Saarland bilde mit dem Geld Rücklagen im eigenen Haushalt. Andere würden die Hälfte der Mittel für die Eigentumsentwicklung im ländlichen Raum verwenden.

Mit den rund 14.700 neuen Sozialwohnungen im Jahr 2015 sei Deutschland grundsätzlich auf einem guten Weg, räumt Pronold ein. Der Anstieg von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr reiche aber bei Weitem nicht aus. Zumal gleichzeitig deutlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen seien – das Angebot für einkommensschwache Mieter sich also unterm Strich weiter verschlechtert habe. Laut Linke-Fraktion fallen pro Jahr rund 45.000 Sozialwohnungen aus der Bindung. „Der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus kann trotz der zusätzlichen Bundesmittel nicht gestoppt werden“, beklagt Linke-Fraktionsvize Caren Lay. In manchen Großstädten habe jedoch fast jeder Zweite Anspruch auf eine geförderte Wohnung.

Regierung hofft auf 90.000 neue Sozialwohnungen

Die entscheidenden Fehler, das weiß auch Pronold, liegen allerdings viel weiter zurück: „Vor zehn Jahren hat niemand geglaubt, dass wir noch mal einen solchen Bedarf haben würden.“ Anfang der 1990er-Jahre gab es in Deutschland rund drei Millionen Sozialwohnungen, 2013 waren es nur noch halb so viele.

Immerhin rechnet die Bundesregierung in ihrem Bericht damit, „dass die Förderzahlen im Jahr 2016 und 2017 deutlich höher als im Vorjahr ausfallen werden“. In den kommenden beiden Jahren sei sogar der Bau von rund 90.000 neuen Sozialwohnungen möglich. Eine weitere Variante für die Länder sei neben dem Neubau auch eine Verlängerung der Sozialbindung für bestehende Sozialwohnungen. Die Linke-Fraktion geht noch weiter: „Es darf nicht sein, dass Sozialwohnungen nach 15 Jahren aus der Bindung fallen. In Zukunft muss gelten: Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung“, so Lay.

Doch es geht nicht nur um günstige Mietwohnungen. Rund 70 Prozent der Bundesbürger wollen Eigentum erwerben, die Hälfte der Neukäufer seien Familien, heißt es im Ministerium. Parteiübergreifend gibt es daher Pläne, wie Familien dabei unterstützt werden können, wenn sie in begehrten Großstadtlagen eine eigene Wohnung oder ein Haus kaufen wollen. Die CDU denkt über ein „Baukindergeld“ nach, das Eltern beim Eigentumskauf helfen soll, SPD-Bauministerin Hendricks hat ein „Familienbaugeld“ ins Spiel gebracht.