München.

Die Münchner Sicherheitskonferenz war dieses Jahr so spannend wie schon lange nicht mehr. Unter den rund 500 Teilnehmern befanden sich 25 Staats- und Regierungschefs und 80 Minister. Die meisten interessierte vor allem eine Frage: Was will die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump? Hier ein Überblick über die wichtigsten Themen der Sicherheitskonferenz:


Welche Botschaft an die Europäer brachte Trumps Vize mit?
Die wichtigste Botschaft lautete: Amerika steht unerschütterlich hinter der Nato. Pence hob ausdrücklich hervor, dass er diese Nachricht im Auftrag von US-Präsident Trump überbringe. Darüber hinaus wollen die Amerikaner nicht an der im Nato-Vertrag niedergelegten Bündnisverpflichtung rütteln. Demnach ist ein Angriff auf ein Land ein Angriff auf alle 28 Nato-Mitglieder. Trump hatte in ersten Äußerungen die Allianz als „obsolet“ bezeichnet und damit Zweifel an der Bündnistreue der USA aufkommen lassen.

Hinter dem Treueschwur von Pence auf die Nato stecken jedoch zwei glasklare Forderungen: Die Allianz-Partner müssten mehr Geld für die Nato lockermachen. Ferner solle sich das Bündnis strategisch neu ausrichten und stärker am Kampf gegen den Terror beteiligen. Was sich die Amerikaner darunter vorstellen, bleibt allerdings im Dunkeln.

Pence machte deutlich, dass alle Nato-Mitglieder ihre Zusage von 2014 einhalten müssten, innerhalb von zehn Jahren zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in den Verteidigungsetat zu stecken. Pentagonchef James Mattis hatte zudem die Vorlage eines konkreten Plans bis Ende des Jahres verlangt. Bislang halten sich nur Amerika, Großbritannien, Griechenland, Estland und Polen an die Zwei-Prozent-Messlatte. Die Bundesrepublik gibt derzeit pro Jahr knapp 40 Milliarden Euro für Verteidigung aus – das sind 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Eine Aufstockung auf zwei Prozent würde zusätzliche Ausgaben von mehr als 25 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten.

Wer hat im Trump-Lager
etwas zu sagen?

Vize-Präsident Mike Pence, Außenminister Rex Tillerson, Verteidigungsminister James Mattis und Heimatschutzminister John Kelly gelten eher als Befürworter der klassischen trans­-­atlantischen Beziehungen. Einen Teil des neuen US-Kabinetts sieht man daher in der Bundesregierung durchaus positiv. Die entscheidende Frage ist jedoch: Können sie sich im Trump-Lager durchsetzen? Mit dem Rücktritt des Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn ist zwar ein einflussreicher Falke ausgeschieden. Doch Chefberater Stephen Bannon zieht weiterhin die Fäden im Weißen Haus. Er ist der ideologische Antreiber von Trumps „America first“-Kurs und hat mit Europa wenig am Hut. Der Präsident selbst gibt am Ende die Richtung vor. Diese besteht bislang aber eher aus impulsiven Tweets als aus einer durchdachten politischen Strategie.

Wohin steuert Russland?
Das Loblied von US-Vizepräsident Pence auf die Nato hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow nicht behagt. „Die Nato ist nach wie vor eine Institution des Kalten Krieges, sowohl im Denken als auch im Herzen“, giftete er in einer Rede auf der Konferenz. Die Welt könne nicht dauerhaft von einer Art „Eliteclub von Staaten“ regiert werden. Die Allianz, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion immer weiter nach Osten ausgedehnt hat, ist für die Russen ein Relikt aus alter Zeit. Moskau führt auch deshalb einen „hybriden Krieg“ in der Ostukraine, der das Land massiv destabilisiert, ohne dass Moskau offiziell und mit regulären Truppen eingreift, um eine Aufnahme der Ukraine in das Bündnis zu verhindern.

Die internationale Ordnung nach dem Kalten Krieg, die über weite Strecken mit einem Übergewicht Amerikas einherging, ist für Lawrow gescheitert. Moskau setzt auf eine „postwestliche“ Weltordnung. Nach Jahren der gefühlten Demütigung – US-Präsident Barack Obama bezeichnete das Land einmal als „Regionalmacht“ – strebt Moskau einen Status als Weltmacht auf Augenhöhe an. Mit seiner Intervention in Syrien hat Russland diesen Anspruch untermauert und sich gleichzeitig eine Einflusssphäre im geopolitisch wichtigen Nahen Osten gesichert. Moskau sieht sich als Hüterin des Status quo, die sich die territoriale Integrität von Staaten auf die Fahnen geschrieben hat. Russland hat die westliche Intervention im Irak 2003 ebenso kritisiert wie die Luftangriffe auf Libyen 2011. Es begründet seinen Militäreinsatz in Syrien damit, Präsident Baschar al-Assad im Amt zu halten, um einen Zerfall des Landes in verschiedene ethnische und religiöse Gruppen zu verhindern.

Die russische Regierung verfolgte die ersten Wochen der Ära Trump mit Interesse, macht sich aber keine Illusionen über einen umfassenden Schulterschluss. Trumps anfängliche Avancen Richtung Putin wurden in Moskau nie für bare Münze genommen. Beim Kampf gegen den islamistischen Terror – der auch in ehemaligen Sowjetrepubliken wie Tschetschenien einen Nährboden hat – sieht Moskau jedoch gemeinsame Interessen mit den USA.


Welche Chancen gibt es für Syrien?

Die bevorstehenden Gespräche zwischen Vertretern des syrischen Regimes und der Opposition waren Hauptthema der Konferenz am Sonntag. Die Aussichten auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen, die am Donnerstag in Genf beginnen, sind jedoch gering. Zwar hat die von Russland, der Türkei und dem Iran einberufene Vorkonferenz in Kasachstan für eine brüchige Waffenruhe gesorgt. Etliche Rebellengruppen – säkulare, gemäßigt islamistische und radikalislamistische – machen jedoch weiterhin Front gegen Assad. Zeitweise wurden diese Milizen durch die Türkei und Saudi-Arabien unterstützt. Das Haupthindernis für eine politische Lösung: Zu viele Akteure kochen ihr eigenes Süppchen. Die Verbündeten Russland und der Iran wollen Syrien als einheitlichen Staat erhalten. Die Türkei, die nach dem Abschuss eines russischen Jets im November 2015 durch eine Phase der verbalen Konfrontation mit Moskau ging, hat nun aus pragmatischen Gründen beigedreht. Sie bekämpft den IS im Norden Syriens mit eigenen Truppen. Der wahre Grund für die Intervention besteht aber darin, ein staatliches Gebilde der Kurden vor der Südgrenze zur Türkei zu verhindern.

Die Regierung in Ankara hätte es gern, dass auch Deutschland noch mehr beim Kampf gegen den IS mitmacht. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte gestern, er habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonnabend aufgefordert, eine „effektivere Rolle“ in der internationalen Anti-IS-Koalition einzunehmen. Welche konkreten Beiträge er sich wünsche, erwähnte er allerdings nicht. „Das kann auch auf dem Feld sein, mit Soldateneinsatz.“ Deutschland müsse das selbst entscheiden.

Die Syrien-Krise ist jedoch noch wesentlich komplizierter. In der Region bildet sich eine ungewöhnliche Koalition gegen den Iran. Unter dem Radarschirm der Öffentlichkeit gibt es Absprachen zwischen Israel und den arabischen Golfstaaten. Sie werfen dem Mullah-Staat die Unterstützung von Terrorgruppen in Syrien, dem Irak, im Libanon und im Jemen vor. Vor allem Saudi-Arabien, das sich als führende Macht auf der Arabischen Halbinsel begreift, befürchtet eine Expansion iranischer Herrschaft. Diese Staaten betrachten den Atom-Deal mit Teheran mit großem Misstrauen.

Die Rolle Amerikas in Syrien und im Nahen Osten allgemein ist bislang noch offen. Präsident Trump hat bislang nur seine Freundschaft mit Israel unterstrichen und das Nuklear-Abkommen mit dem Iran scharf kritisiert. Die Lösung des Syrien-Konflikts ist durch diese Gemengelage so diffizil geworden, wie nie zuvor.