Athen/Berlin.

Amerika und die Türkei suchen einen neuen Schulterschluss gegen den Terror. Während das Verhältnis zwischen den beiden Ländern in den vergangenen Jahren eher gespannt war, deutet sich nun eine Wende an. Am Dienstagabend telefonierte US-Präsident Donald Trump mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan. Das Gespräch dauerte 45 Minuten und verlief nach Darstellung Ankaras in einer „ausgesprochen positiven und aufrichtigen Atmosphäre“. Am Donnerstag führte die erste Auslandsreise von CIA-Chef Mike Pompeo in die Türkei.

Türkische Soldaten bei russischem Luftschlag getötet

Das zentrale Thema der Visite ist der Kampf beider Länder gegen den islamistischen Terror. Zu keiner Frage der Außenpolitik hat sich Trump bislang konkreter geäußert. Er wolle die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vernichten, hatte er angekündigt. Grundsätzlich sind sich beide Regierungen bei diesem Ziel einig. Doch was dies konkret bedeutet, war bislang strittig.

Wie undurchsichtig die Lage in Syrien ist, zeigte sich gestern erneut. Die russische Luftwaffe griff nach Angaben der türkischen Armee in Nordsyrien versehentlich ein Gebäude mit türkischen Soldaten an und tötete drei von ihnen. Der Luftschlag habe eigentlich dem IS gegolten, teilten die türkischen Streitkräfte mit. Elf türkische Soldaten seien verwundet worden, einer davon schwer. Der russische Präsident Wladimir Putin habe Erdogan seine Trauer über den Vorfall zum Ausdruck gebracht. Die russische Regierung habe von einem „Unfall“ gesprochen. Beide Seiten untersuchten die Angelegenheit.

Die Türkei, die Ende August vergangenen Jahres in Nordsyrien einmarschiert war, kämpft dort nicht nur gegen den IS. Sie verfolgt noch unnachsichtiger die Kurdenmilizen der YPG, den syrischen Ableger der in der Türkei verbotenen kurdischen PKK. Erdogan will verhindern, dass die syrischen Kurden an der Grenze zur Türkei eine Autonomiezone etablieren. Denn das könnte den PKK-Bestrebungen, in der Türkei mehr Selbstverwaltung zu erreichen, Auftrieb verleihen. Ankara betrachtet die YPG deshalb als Terrororganisation. Unter Präsident Barack Obama galten die YPG-Milizen hingegen als wichtigster Verbündeter der USA im Bodenkampf gegen den IS.

Erdogan hofft auf die Auslieferung Gülens

In dem Telefonat habe Erdogan den US-Präsidenten aufgefordert, die YPG nicht länger zu unterstützen, heißt es in Ankara. Wie Trump darauf geantwortet hat, ist nicht bekannt. Aber CIA-Chef Pompeo wird in Ankara noch mit einem weiteren Thema konfrontiert, das Erdogan auf den Nägeln brennt. Die Türkei verlangt von den USA die Auslieferung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, der seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania im Exil lebt. Der frühere Erdogan-Verbündete gilt heute in der Türkei als Staatsfeind: Die Regierung sieht ihn als Drahtzieher des Putschversuchs vom vergangenen Juli und will ihn vor Gericht stellen. Die Bemühungen um Gülens Auslieferung sind aber bisher kaum vorangekommen. Die Beweislage gegen Gülen sei „dürftig“, berichten US-Medien unter Berufung auf Justizkreise.

Erdogan hofft, dass unter Trump Bewegung in die Sache kommt. Als Vorleistung enthielt sich Erdogan jeglicher Kritik an Trumps Einreiseverbot gegen Bürger sieben mehrheitlich muslimischer Staaten. Normalerweise präsentiert sich der türkische Präsident bei jeder Gelegenheit als Verteidiger des Islam und der Muslime.

Im eigenen Land setzt Erdogan derweil die Jagd auf mutmaßliche Gülen-Anhänger fort. Der Staatschef erließ in der Nacht zum Mittwoch ein Notstandsdekret, mit dem weitere 4464 Staatsbeamte entlassen werden, überwiegend Lehrer und Universitätsmitarbeiter. Unter ihnen sind auch mehr als 100 Mitglieder des Netzwerks „Akademiker für Frieden“, das sich vergangenes Jahr in einer Petition für ein Ende der Militäroffensive in den Kurdengebieten einsetzte.

Die Reise von CIA-Chef Pompeo steht in jedem Fall für eine Kehrtwende der US-Politik. Noch am 16. Juli 2016 hatte Pompeo in einem Tweet die Türkei als „totalitäre islamistische Diktatur“ bezeichnet. Die Regierung von Erdogan sei ebenso demokratisch wie der Iran. Damals war Pompeo noch republikanischer Abgeordneter. Nachdem der frischgebackene US-Präsident Trump Pompeo im November für das Amt des CIA-Direktors nominiert hatte, löschte dieser seinen Twitter-Account.

Mit Spannung wartet Ankara nun darauf, dass das US-Verteidigungsministerium Ende Februar seinen Plan für die Zerschlagung des IS vorlegt. Erdogan hofft, dass das Pentagon dabei der türkischen Armee und ihren syrischen Verbündeten eine Schlüsselrolle gibt. Für die kurdischen YPG-Milizen ist in Ankaras Kalkül kein Platz.