Paris. Die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin setzt auf den Austritt aus der EU und der Nato und will den Franc wieder einführen

Die Parallelen sind unübersehbar. US-Präsident Donald Trump hatte am Tag seiner Amtseinführung gesagt, er wolle die Macht an das Volk übertragen. Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National (FN), schlug am Sonntag in eine ähnliche Kerbe. Sie wolle Frankreich „seine an Brüssel abgetretene Souveränität“ zurückgeben, sagte sie im Konferenzzentrum von Lyon. Als sie nach ihrer Rede die Arme hochriss, brandete unter den rund 3000 Anhängern frenetischer Jubel auf. Der Wahlkampf des FN für die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr war offiziell eingeläutet – mit einer Kandidatin in Siegerpose.

Le Pen stellte 144 „Zusagen“ vor, mit denen sie „Frankreich wieder in Ordnung“ bringen wolle. Sie warnte vor Migration und islamischem Fundamentalismus. Es gebe „eine Globalisierung von unten – durch die massenhafte Einwanderung“, sagte Le Pen. Ihre Rechts-außen-Partei hatte am Sonnabend ihr Wahlprogramm veröffentlicht. Kern-Forderungen: Referenden über den Austritt Frankreichs aus der EU („Frexit“) und der Nato sowie die Wiedereinführung einer nationalen Währung.

Hohe Schutzzäunegegen Einwanderer

Das klang alles nach einer französischen Version von Trumps Motto „America First“. Doch ihren Kurs verfolgt Le Pen bereits seit mehreren Jahren. 2011 hatte sie den Machtkampf um die Nachfolge ihres Vaters Jean-Marie Le Pen an der Parteispitze für sich entschieden. Seitdem bemüht sich die heute 48-Jährige, der rechtsextremen Partei ein bürgerlicheres Image zu verpassen. Dafür hat sie inzwischen sogar ihren Vater ausgeschlossen. Die wiederholten verbalen Entgleisungen passten nicht mehr in die Strategie der „Entdämonisierung“ der Partei. Marine Le Pen setzt auf eine gemäßigtere Sprache, schießt aber ebenfalls gegen Einwanderung und vertritt radikale Positionen. Für die Präsidentenwahl im April kann sie mit dem Einzug in die Stichwahl rechnen. Nach einer Erhebung des Instituts BVA würde sie gegen den unabhängigen linken Kandidaten Emmanuel Macron am 7. Mai aber den Kürzeren ziehen.

Frankreich müsse durch die Errichtung hoher Schutzzäune gegen Einwanderer und ausländische „Dumping-Ware“ abgesichert werden, forderte Le Pen in Lyon. Frankreich dürfe auch nicht in Kriege hineingezogen werden, die nicht die seinigen seien. Daher solle das Land die gemeinsame Kommandostruktur des Militärbündnisses verlassen. Zielvorgaben wie diese können viele Wähler abschrecken, das weiß Marine Le Pen. Also verkaufte die Kandidatin sie mit einem Versprechen: Das Volk solle in allen wichtigen Fragen das letzte Wort haben – per Referendum.

Die Wiedereinführung der Todesstrafe wurde zwar aus dem Wahlprogramm gestrichen. Doch auch hier ist das Referendum eine Hintertür: Sie könne dennoch kommen, „wenn die Franzosen das wünschen“, betonte Le Pen. Volksabstimmungen, so eine der 144 Zusagen, müssten auch dann abgehalten werden, wenn 500.000 Bürger eine Petition unterzeichneten.

Was hier angedeutet wurde, liegt auf der Hand: Wie weit die „Revolution“ gehen würde, hänge von den Franzosen ab. Gänzlich will die FN-Vorsitzende aber nicht auf autoritäres Handeln verzichten, beim „Prinzip der nationalen Priorität“ etwa. Hier soll die Bevorzugung französischer Staatsbürger bei der Vergabe von Sozialleistungen, Arbeitsplätzen und Sozialwohnungen gegenüber Ausländern festgeschrieben werden.

Ohne Volksabstimmung würde unter Le Pen auch der „Wirtschaftspatriotismus“ verbindlich. Hinter diesem Begriff verbergen sich protektionistische Maßnahmen. Etwa eine zehnprozentige Abgabe auf alle Gehälter, die in Frankreich arbeitende Ausländer (auch EU-Ausländern) bekommen oder Einfuhrzölle. Zudem seien 15.000 zusätzliche Stellen bei der Polizei und 40.000 neue Gefängnisplätze geplant, kündigte Le Pen an. Auch die Wehrpflicht soll wieder eingeführt werden.

Le Pen hat sich politisch Schritt für Schritt hochgearbeitet. Sie war zunächst Rechtsanwältin und ist Mutter von drei Kindern. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 holte sie in der ersten Runde mit fast 18 Prozent bereits das bis dahin beste Ergebnis der Parteigeschichte. Bei der Europawahl 2014 stieg die FN mit fast 25 Prozent zur stärksten Partei in Frankreich auf. Le Pen ist Abgeordnete im Europaparlament. Dort steht sie derzeit wegen Vorwürfen zur Verwendung von EU-Mitteln in der Kritik: Sie soll Mitarbeiter aus der Parlamentskasse bezahlt haben, die in Wahrheit für ihre Partei tätig waren. Le Pen weist die Vorwürfe zurück.