Düsseldorf.

Ein ebenso spektakuläres wie rätselhaftes Verbrechen konnte nach fast 17 Jahren doch noch aufgeklärt werden. Die Düsseldorfer Polizei präsentierte am Mittwoch einen dringend Tatverdächtigen, der für den Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn vom 27. Juli 2000 mit überwiegend jüdischen Opfern verantwortlich gemacht wird. Der Mann sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.

„Ich möchte bei den Opfern um Verständnis bitten, dass das erst jetzt der Fall ist“, sagte der Düsseldorfer Polizeipräsident Norbert Wesseler. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um den als „Sheriff von Flingern“ bekannten Rechtsradikalen Ralf S., der bereits kurz nach dem Anschlag festgenommen worden war. Damals musste die Polizei ihn jedoch mangels ausreichender Beweise wieder freilassen. Das Verfahren gegen ihn wurde 2002 zunächst eingestellt. „Die Zeit spielt den Ermittlern manchmal in die Karten“, sagte Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück am Mittwoch.

Fall nach entscheidendem Hinweis neu aufgerollt

Am 27. Juli 2000 war um 15.03 Uhr am Wehrhahn eine Nagelbombe explodiert, die in einer Plastiktüte an einem Geländer befestigt worden war. Zehn Menschen wurden schwer verletzt. Ein Metallsplitter drang in den Bauch einer jungen Frau ein, die im fünften Monat schwanger war und ihr ungeborenes Kind verlor. Bei den Opfern handelte es sich überwiegend um jüdische Menschen aus Osteuropa, die Deutschunterricht in einer Sprachschule nahmen.

Nach einem entscheidenden Hinweis im Jahr 2014 wurde der Fall noch einmal komplett aufgerollt. In der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel, wo der Tatverdächtige S. eine Freiheitsstrafe wegen einer nicht gezahlten Geldbuße verbüßte, hatte sich ein Mithäftling gegenüber der Polizei offenbart. S. soll im Gefängnis zugegeben haben, den Wehrhahn-Anschlag verübt zu haben. Daraufhin konnten zwei weitere neue Zeugen ermittelt werden, die aussagten, S. habe die Tat ihnen gegenüber angekündigt. „Das Gesamtbild belastet den Tatverdächtigen schwer“, sagte der Düsseldorfer Kripo-Chef Markus Röhrl. Der Rechtsradikale Ralf S. war früh in den Fokus der Ermittler geraten. Er betrieb gegenüber der Sprachschule einen Militaria-Laden, hatte bei der Bundeswehr den Umgang mit Sprengstoff gelernt und war dafür bekannt, dass er im Stadtteil Flingern mit seinem Hund „auf Streife“ ging. Anfang 2000 habe er sich in einer „desolaten finanziellen Situation“ befunden und einen persönlichen Offenbarungseid leisten müssen, sagte Ermittlungsleiter Udo Gerhard Moll.

Ralf S. konnte sich vor fast 17 Jahren noch auf eine Alibi-Zeugin stützen, die von ihm aber offenbar unter Druck gesetzt wurde. Eine weitere heutige Belastungszeugin, die damals noch zum nahen Umfeld des Tatverdächtigen gerechnet wurde, habe erst bei den neuen Ermittlungen wertvolle Hinweise gegeben, hieß es nun. Da die Rohrbombe in einer eher seltenen Zeitung eingerollt war, die S. bezog, verdichteten sich die Hinweise weiter. Zudem hatte S. eine Wohnung für ein halbes Jahr angemietet und einen Tag nach der Tat aufgegeben. Schon damals habe man dort Hinweise auf eine Tatvorbereitung gefunden, sagte Herrenbrück. Erst ein Sprengstoff-Gutachten lieferte nun weitere Indizien. Letzte Zweifel beseitigte bei den Ermittlern augenscheinlich eine Telefonüberwachung von S. Ende des vergangenen Jahres.

Die neue Ermittlungskommission von Kriminalhauptkommissar Moll hatte den Fall seit 2014 noch einmal vollständig aufgerollt. Die Beamten durchforsteten 69.000 Aktenseiten, bewerteten Vernehmungsprotokolle von 1500 Zeugen noch einmal neu und untersuchten 330 Spuren ein weiteres Mal. Außerdem wurden „Profiler“ des Landeskriminalamtes eingeschaltet.

Die Linkspartei warf den Behörden vor, vor 17 Jahren nicht ordentlich gearbeitet zu haben. Die Staatsanwaltschaft habe Hinweise auf Verbindungen des Militaria-Ladens von S. zur Düsseldorfer Neonazi-Szene geleugnet und Hinweise nicht ausreichend beachtet.