Bad Vilbel.

Die Brisanz der Arbeit sieht man dem kleinen Büro nicht an. Es ist nur eine enge Erdgeschosswohnung in einem Justizgebäude im hessischen Bad Vilbel. Früher lebte hier der Hausmeister. Zwei Mitarbeiter der hessischen Justiz sitzen an ihren Schreibtischen, tippen Protokolle und warten. Der Fernseher läuft. Doch sie müssen wachsam sein: Jederzeit könnte ein Alarm auf dem Monitor aufblitzen.

Sie arbeiten in der „Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder“, kurz GÜL. Von hier aus überwacht der Staat alle Träger einer elektronischen Fußfessel. Schwerverbrecher, die auch nach Verbüßung ihrer Haft für so gefährlich gehalten werden, dass ihr Aufenthaltsort mit einem Sender kontrolliert wird. Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts von Mittwoch, auch islamistische Gefährder mittels Fußfessel zu kontrollieren, könnte auf die Überwacher aus dem kleinen Büro nun deutlich mehr Arbeit zukommen.

Bundesweit tragen derzeit 88 Menschen das 180 Gramm schwere und zigarettenschachtelgroße Kästchen mit eingebautem GPS-Sender am Bein. Satelliten orten darüber alle 15 Minuten ihren Aufenthaltsort. Nähert sich ein Träger der für ihn verbotenen Zone oder verlässt ein definiertes Gebiet, klingelt in der GÜL der Alarm. Erst in diesem Moment erfahren die Mitarbeiter in der Überwachungsstelle, wo sich der Träger aufhält. Sein Standort wird dann im Minutentakt gesendet, samt Richtung und Geschwindigkeit seiner Bewegung. Auf den Bildschirmen erscheint er als kleiner Pfeil auf einer Satellitenaufnahme. Gleichzeitig ruft ein GÜL-Mitarbeiter den Fußfesselträger auf dem Handy an. Meldet er sich nicht, verständigen sie sofort die Polizei vor Ort, um den Gesuchten aufzuhalten. Im Schnitt erklingt der Alarm 20 Mal am Tag. „Meistens bedeutet das aber nur, dass bei einem Träger bald der Akku der Fußfessel leer ist“, sagt Hans-Dieter Amthor, seit der Gründung 2012 Leiter der GÜL. Wirklich brenzlig war es bisher fast nie, sagt der Leiter: „Wir hatten noch nie einen Verstoß gegen eine Verbotszone.“

Ein geeignetes Mittel für mehr Sicherheit, wenn bald auch islamistische Gefährder eine elektronische Fußfessel tragen? Amthor ist davon überzeugt: „Man könnte so regeln, dass ein Träger ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen darf“, sagt er. „Anis Amri hätte dann nie aus seinem Landkreis raus gekonnt.“ Umgekehrt funktioniere die Technik auch: Symbolträchtige Orte, etwa rund um das Brandenburger Tor, ließen sich für die Träger zu Tabuzonen erklären. „So könnte man sichere Zonen herstellen“, sagt Amthor. Doch er schränkt ein: Selbst mit Fußfessel kann sich ein Träger einfach im nächsten Supermarkt in die Luft sprengen.

Im hessischen Justizministerium geht man davon aus, dass die Ausweitung des Fußfessel-Einsatzes die Zahl der überwachten Personen verdoppeln würde. „Dies wäre technisch jederzeit realisierbar“, sagt die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann. Dass die Zahl der Fußfesselträger nun rasant steigt, glaubt Amthor nicht. Bevor jemand eine Fußfessel bekomme, ständen immer noch Gerichtsverfahren an. Sollten sie im GÜL bald tatsächlich eine große Zahl von Islamisten überwachen müssen, ließe sich auch das mit mehr Personal stemmen: „Wir sind der Arbeit gewachsen“, sagt Amthor. „Egal, um welche Zielgruppe es sich handelt.“