Hamburg. Wohin steuert Amerika? Der in Hamburg lebende US-Journalist David Patrician zieht einen Vergleich zu einem Clint-Eastwood-Klassiker.

Ab dem 20. Januar sagen wir Amerikaner: President Trump ... Oh Boy! Sollte der Wahlkampf der vergangenen zwei Jahre auch nur der geringste Indikator dafür sein, was auf uns zukommt, dürfen wir uns auf einen wilden Ritt gefasst machen: Fasten your seat belts! Erwarten wir das Unerwartete. Es gibt im Moment viele Fragen, von denen die meisten wohl nur die Zeit beantworten wird. Aber wenn wir einen Schritt zurück machen und uns anschauen, was uns hierher brachte, hilft es uns vielleicht dabei zu sehen, wo uns, wo die USA, ein Donald Trump in Zukunft hinführt und was es für die transatlantischen Beziehungen bedeutet.

David Patrician

Vor ein paar Tagen hielt Präsident Barak Obama seine Abschiedsrede in seiner Heimatstadt Chicago. Unter großem Beifall sagte er: „Yes We Can … and Yes We Did!“ Betrachtet man seine Leistungen der letzten acht Jahre ist die Liste der Errungenschaften lang: eine wesentlich stärkere Wirtschaft als 2008, ein für jeden zugängliches Gesundheitssystem, ein andauernder Kampf gegen den Terrorismus, das Beenden der Kriegshandlungen in Afghanistan und im Irak, große Fortschritte in der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Kuba, um nur einige zu nennen.

Wie konnte das passieren?

Er dankte auch seiner Frau Michelle dafür, eine außergewöhnliche First Lady und ein Vorbild gewesen zu sein. Es war eine bewegende Rede, die viele zu Tränen rührte – inklusive den Präsidenten selbst. Und doch: trotz all der Erfolge und der Beliebtheit Obamas und seiner öffentlichen großen Unterstützung für Hillary Clinton gewann am Ende Donald Trump die Wahl, und die Republikaner erlangten sowohl im Senat als auch im Kongress die Mehrheit. Wie konnte das passieren?

Es gibt Hunderte von Artikeln, Kommentaren und Analysen darüber, wie und warum ausgerechnet jemand wie Donald Trump die Wahl gewinnen konnte. Und ich bin sicher, dass die Diskussion noch jahrelang geführt werden wird. Meiner Meinung nach gibt es aber drei Punkte, die einen kurzen Blick wert sind und über die wir Amerikaner pausenlos diskutieren.

Politische Erfahrungen nicht ausschlaggebend

Zum einen wird immer wieder darauf verwiesen, dass Hillary Clinton über drei Millionen Stimmen mehr hatte als Donald Trump und die Amerikaner damit eigentlich sie gewählt haben. Das ist richtig, aber nach Stimmen der Wahlmänner hat sie nun einmal verloren. Dasselbe Schicksal ereilte 2000 auch Al Gore, als er gegen George W. Bush verlor. Ist es an der Zeit, dass amerikanische Wahlsystem zu ändern? Ich denke ja. Wird das unter einem Präsidenten passieren, dem genau dieses System zum Sieg verhalf? Ich fürchte nein.

Zum zweiten war Trump in den USA durch seine diversen Geschäfte und nicht zuletzt durch seine „Karriere“ als Star der Reality-TV-Serie „The Appren­tice“ so ziemlich jedem bekannt. Sein ganzer Wahlkampf drehte sich nur um seine Erfolge als Geschäftsmann und um ihn als Berühmtheit und Prominenten, nicht um seine politischen Erfahrungen. Das ist in Amerika nichts Neues: Ronald Reagan war ein bekannter Schauspieler, bevor er für die Präsidentschaft kandidierte, Arnold Schwarzenegger und Clint Eastwood sind weitere Beispiele.

Rolle als Außenseiter

Trump besetzte seine Rolle als Außenseiter, der es „denen da oben“ zeigen will, hervorragend. Je lauter er pöbelte, je größer die politische Unkorrektheit, desto mehr feierten ihn seine Unterstützer und Fans. Ob er sich über republikanische Mitkandidaten lustig machte, die um Geld für den Wahlkampf betteln mussten, oder Hillary Clinton als Gaunerin bezeichnete und die verloren gegangenen E-Mails hinterfragte: Er benahm sich anders als irgendein amerikanischer Präsidentschaftskandidat zuvor. Er, der Milliardär, wurde zum Anti-
Establishment. Die Medien liebten die Einschaltquoten – und verschafften ihm so Unmengen an kostenfreier Werbezeit.

Und drittens war da noch Hillary. Weder Republikaner noch Demokraten trauten ihr so recht. Ob es an ihrer fast 30-jährigen politischen Karriere lag, an den Finanzskandalen der Vergangenheit oder an ihrer manchmal kalt wirkenden Art, dass viele sie als unsympathisch einstuften – Hillary Clinton gelang es einfach nicht so recht, das Vertrauen der Amerikaner zu gewinnen. Dazu kommt noch, dass viele wohl einfach noch nicht bereit für eine PräsidentIN waren, so traurig das auch klingen mag.

Aber zurück zur Amtseinführung von Donald Trump. Was hält die Zukunft für die USA bereit? Eine nicht ganz einfache Frage. Was Trump denkt, was er sagt und was er twittert, sind manchmal vollkommen unterschiedliche Dinge. Um ganz amerikanisch zu bleiben, sollten wir uns frei nach einem Clint-Eastwood-Klassiker auf „The Good, The Bad and The Ugly“ (Anm.: „Zwei glorreiche Halunken“) vorbereiten.

„The Good“

Ich denke, dass Trump gerade im Bereich der Infrastruktur schnelle Erfolge vorweisen können wird. Er hat die nötigen Kontakte aus seinen Immobilien-Geschäften und mit einem von Republikanern geführten Kongress dürfte er die meisten Projekte ohne größere Hindernisse umsetzen können. Außerdem wird er wie angekündigt den Druck auf größere Firmen erhöhen, ihre Produktion in den USA zu belassen. Auch bei den Ausgaben des amerikanischen Militärs wird der Rotstift angesetzt werden.

Das beinhaltet sicherlich auch, wie von Trump schon öfter angedeutet, die Rolle Amerikas in der Nato und die damit verbundene Kostenverteilung. Ich kann mir gut vorstellen, dass Deutschland mit dem starken Wirtschaftswachstum eines der ersten Länder sein wird, dass bei den Kosten für Nato und die Europäische Verteidigung zur Kasse gebeten wird. Aus Sicht der Amerikaner ist das fair.

„The Bad“

Die Aufhebung des „Obamacare“ genannten „Affordable Care Act“ (der gesetzlichen Krankenversicherung) ist ein großer Fehler. Millionen von Amerikanern sind erstmalig krankenversichert und können auf Gesundheitsleistungen zugreifen. Ja, es gibt noch Fehler im System – aber verglichen mit dem Stand vor acht Jahren, als über 40 Millionen Amerikaner nicht krankenversichert waren, ist es ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Waffengewalt wird auch weiterhin ein großes Problem bleiben.

Die „National Rifle Association“, die amerikanische Waffen-Lobby, hat Millionen für Trumps Wahlkampf gespendet und ich denke kaum, dass sich die Waffengesetze bald ändern werden. Das ist gerade angesichts der jüngsten Zahlen über Tote durch Schusswaffen wirklich fatal. Auch das zukünftige Engagement beim Klimaschutz scheint momentan in Frage zu stehen, zumal der kommende Außenminister Tillerson als ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Exxon Mobil nicht gerade für sein Faible für erneuerbare Energien bekannt ist. Nicht zuletzt dürften die in den letzten Jahren hart erkämpften Rechte für Homosexuelle unter Beschuss geraten. Gerade auch wegen Vize-Präsident Pence, eines tief-religiösen Konservativen, der gleichgeschlechtlichen Beziehungen offen ablehnend gegenübersteht.

„The Ugly“

Egal ob Republikaner oder Demokrat, ich denke jeder Amerikaner möchte, dass sein Präsident ein gutes Vorbild ist. Das wird Trump nicht sein. Ich glaube einfach nicht, dass ein Präsident über Twitter jede Emotion, jeden Gedanken und jeden Ärger ungefiltert öffentlich machen sollte. Dazu kommt, dass vieles von dem, was Trump bisher geäußert hat, unverschämt bis gefährlich war. Ob er Einwanderer beleidigt, sich über einen körperlich behinderten Reporter lustig macht (und das hinterher bestreitet), eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen will, sich in diplomatische Beziehungen zu China einmischt oder einfach nur nachweisbar lügt, um besser dazustehen – Trump präsentiert sich als eine unreife Person, die keine Kontrolle über ihre Emotionen hat.

Gebessert hat sich dieses Verhalten leider seit seiner Wahl nicht: Erst vor ein paar Tagen weigerte Trump sich bei einer Pressekonferenz, Fragen eines CNN-Reporters zu beantworten, weil er meinte, CNN wäre keine echte Nachrichtenagentur. In einer Welt, in der Beziehungen zwischen Staaten, Menschen und verschiedenen Gruppen oft kompliziert und heikel sind, kann dieses kindische Verhalten – sei es nun echt oder vorgespielt – zu einem leider sehr realen Problem mit unerwünschten Konsequenzen werden.

Wind wird rauer werden

Die Beziehungen und die Freundschaft zwischen Deutschland und Amerika waren und sind stark und das wird – so hoffe ich – auch erst einmal so bleiben, aber der Wind wird rauer werden. Der Handel, der wirtschaftliche und kulturelle Austausch wird jedoch weitergehen. Ich hoffe nur, dass die „Trump Show“ den Fokus nicht von den wirklich wichtigen Herausforderungen 2017 nimmt. Mit Russland, China, dem Klimawandel, dem immer noch akuten Flüchtlingsthema, dem Krieg in Syrien und dem Kampf gegen den Terrorismus haben wir auch so genug Themen, die der Aufmerksamkeit bedürfen.

Die ersten hundert Tage einer neuen Regierung werden in Amerika die „Honeymoon Period“ (Flitterwochen) genannt. In dieser Zeit findet sich die Regierung zusammen und beginnt an ihrer neuen Ausrichtung der Politik zu arbeiten. Ich drücke unserem neuen Präsidenten Donald Trump und seiner Regierung die Daumen. Hoffen wir, dass die Flitterwochen nicht zu schnell vorbei sind und wir alle eine Eheberatung oder einen Scheidungsanwalt brauchen.

Nettes über die „Elphi“ twittern

Im Juli können sich die Hamburger übrigens einen eigenen Eindruck des neuen amerikanischen Präsidenten machen: Da wird Trump der Hansestadt im Rahmen des G20-Gipfels einen Besuch abstatten. Und vielleicht ja auch mal etwas Nettes über die „Elphi“ twittern.

Fürs Erste würde ich sagen: hoffen wir aufs Beste und rechnen wir mit dem Schlimmsten.

Morgen schreibt an dieser Stelle Abendblatt-Vizechefredakteur Matthias Iken