Strassburg . Über die Nachfolge fürMartin Schulz sind alte Allianzen zerbrochen

Martin Schulz geht – und bringt einiges ins Wanken. Seit sich der deutsche EU-Parlamentspräsident im November zum Wechsel in die Bundespolitik entschloss, sortiert sich das Brüsseler Machtgefüge neu. Allianzen sind zerbrochen, geheime Männerbünde aufgekündigt. Am heutigen Dienstag wird im Parlament in Straßburg ein Nachfolger gesucht, der die Scherben kitten kann oder eine neue Linie findet.

Sieben Bewerber haben sich gemeldet, dem SPD-Mann nachzufolgen, der das Haus mit 751 Abgeordneten fünf Jahre lang führte. Gerade die kleinen Fraktionen sind euphorisch. Erstmals gebe es eine demokratische Wahl ohne Absprachen, sagt Gabi Zimmer, die deutsche Chefin der Linksfraktion. Dazu muss man wissen, dass die großen Mitte-Parteien – die Christdemokraten und die Sozialdemokraten – sich im EU-Parlament traditionell gegenseitig Mehrheiten sichern. Entstanden ist daraus ein hochkomplexes Vergabesystem. 2014 setzte Schulz mit dem christsozialen EVP-Fraktionschef Manfred Weber noch eins drauf: Die Europäische Volkspartei sollte Schulz noch einmal als Präsident mitwählen und bekam dafür die Besetzung des Spitzenpostens Anfang 2017 zugesagt – also jetzt.

Nur fühlen sich die Sozialdemokraten mit Schulz’ Abgang daran nicht mehr gebunden, mit dem Argument, sonst würden alle drei EU-Institutionen – Rat, Kommission und Parlament – von Konservativen in Beschlag genommen. Damit ist der Ausgang der Wahl offen.

Auf dem Papier hat der erfahrene EVP-Kandidat Antonio Tajani aus Italien die besten Chancen. Seine Fraktion ist mit 217 Mitgliedern die größte. Aber selbst wenn sie geschlossen hinter ihm steht, ist er von einer eigenen Mehrheit weit entfernt. Das gilt auch für Tajanis Landsmann Pittella, der für die 189 Sozialdemokraten ins Rennen geht – und noch viel mehr für alle anderen Kandidaten, die jeweils nur ein paar Dutzend Abgeordnete hinter sich haben. Sie dürften nach den ersten Wahlgängen ausscheiden. Dann geht es für die Favoriten darum, wer Unterstützer aus anderen Fraktionen gewinnt. Im vierten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit. Spekuliert wird auch über Außenseiterchancen des Liberalen Guy Verhofstadt oder einen Überraschungskandidaten.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sorgt sich um die Stabilität. Andere sehen den Bruch nach Schulz positiv, wie der ehemalige Abgeordnete Andrew Duff. „Sowohl die Juncker-Kommission als auch der Europäische Rat unter (Donald) Tusk haben eine schärfere parlamentarische Kontrolle verdient, als es unter Schulz der Fall war“, meint Duff, der jetzt am European Policy Centre forscht.