Hamburg. Inoffizieller Auftakt des OSZE-Treffens an der Außenalster am Mittwochabend. Heute beginnt die Konferenz unter Vorsitz von Frank-Walter Steinmeier in den Messehallen

Peter Ulrich Meyer

Im Schutz der Dunkelheit fuhr eine Staatskarosse nach der anderen vor: Das Gästehaus des Senats, klassizistischer Prachtbau an der Außenalster, bot am Mittwochabend den noblen Rahmen für den inoffiziellen Empfang der Außenminister. Polizeibeamte hatten die Schöne Aussicht in Höhe Auguststraße gesperrt. Kein Durchkommen für Passanten, Hundebesitzer und Jogger, die sonst hier ihre Bahnen ziehen.

Der Hausherr, Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), begrüßte 35 Außenminister der Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, kurz OSZE. Nicht alle rund 50 Delegationen waren bereits in Hamburg eingetroffen, noch am späten Abend reisten weitere Minister zu dem zweitägigen Arbeitstreffen an, das offiziell am heutigen Donnerstag beginnt.

Gereicht wurde den Politikern im Gästehaus ein „Flying dinner“ mit überwiegend regionaler Kost: als Vorspeise Glückstädter Matjes und geräucherte Entenbrust und als Hauptgang Holsteiner Kalbsrücken, gebratene Riesengarnele mit Süßkartoffelpürée sowie getrüffeltes Risotto mit Pilzen und Rucola.

Es sind die direkten Begegnungen abseits von Kameras und Mikrofonen wie die diskret behandelte Zusammenkunft an der Außenalster, die über Erfolg oder Misserfolg eines Mega-Events wie des OSZE-Treffens mit rund 50 Außenministern und 1300 Delegationsteilnehmern entscheiden können. Bei den offiziellen Arbeitssitzungen – live im Internet übertragen – werden häufig vorbereitete Reden gehalten. In den Gesprächen nebenbei können die Außenminister die Positionen ihrer Amtskollegen unmittelbar ausloten. Bisweilen gelingt es gerade in solchen Situationen, Blockaden aufzulösen.

Wie wichtig das ist, darauf hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schon am späten Mittwochnachmittag im Hotel Atlantic an der Außenalster hingewiesen. „Die Frage von Krieg und Frieden ist auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt mit der Annexion der Krim und dem Ukraine-Konflikt“, sagte der Außenminister, der seit Anfang des Jahres den OSZE-Vorsitz innehat. Europa befinde sich seitdem in einer Art „dauerhaften Krisenmodus“. Und gerade deshalb sei es so wichtig, „dass alle Staaten Europas zusammenkommen, um von Angesicht zu Angesicht miteinander zu reden und – wo notwendig – auch zu streiten.“

Mit Blick auf das Treffen in Hamburg sagte Steinmeier weiter, man könne zwar nicht auf einen Schlag alle Krisen beseitigen. „Aber Dialog und Austausch über die bestehenden Gräben hinweg sind aus meiner Sicht der richtige Weg zur Überwindung von Konflikten. Dafür ist die OSZE unentbehrlich und wichtiger denn je.“

Der Bundesaußenminister traf sich noch am Mittwochabend mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, die beide im Hotel Atlantic abgestiegen waren. Unklar war zunächst, ob auch US-Außenminister John Kerry dazustoßen würde.

Steinmeier, der zuvor bereits in einer halbseitigen Anzeige im Abendblatt die Hamburger um Verständnis für die Unannehmlichkeiten während des OSZE-Treffens gebeten hatte, dankte den Hamburgern erneut für ihre Gastfreundschaft und lobte die Stadt als „Brücke zwischen Ost und West“. Abschiedsreden wegen seines bevorstehenden Wechsels in das Amt des Bundespräsidenten verbat sich Steinmeier. Erstens sei er noch nicht gewählt, und zweitens gebe es auf der Konferenz wichtigere Themen: „Für Wehmut wird in diesen zwei Tagen wenig Raum bleiben.“

Am frühen Abend hatte er sich im Hotel Radisson Blu am Dammtor mit Vertretern von mehr als 90 Nichtregierungsorganisationen getroffen. Die Plattform „Civic Solidarity“ hatte dort zwei Tage lang getagt und eine „Hamburger Erklärung“ erarbeitet, in der sie mehr Einsatz für die Grund- und Menschenrechte und gegen die Unterdrückung der Zivilgesellschaft in einigen OSZE-Ländern fordert.

Am heutigen Donnerstag und am Freitag werden die Außenminister zu drei Arbeitssitzungen in den Messehallen zusammenkommen. Es gibt keine feste Tagesordnung, jeder Minister hat eine Redezeit von fünf Minuten. Steinmeier kann allerdings als Vorsitzender versuchen, das Gespräch in die eine oder andere Richtung zu lenken. Es wird erwartet, dass der Ukraine-Konflikt auch im Mittelpunkt des offiziellen Teils der Konferenz stehen wird.

Die OSZE hat 57 Mitglieder und gilt damit als die größte regionale Sicherheitsorganisation der Welt. Ihr gehören alle Länder Europas (inklusive der Türkei und Russlands), die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die Mongolei sowie die USA und Kanada an. Hervorgegangen ist sie aus der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), deren berühmte „Schlussakte von Helsinki“ 1975 maßgeblich zum Ende des Ost-West-Konflikts beigetragen hatte.