Dresden/Berlin.

700.000 Menschen erwartet Dresden am Wochenende. Sie wollen die deutsche Einheit feiern, sie werden zigtausendfach den Festakt in der barocken Innenstadt auf Schnappschüssen festhalten. Immer zu sehen sind dann auch die Betonklötze: quadratisch, wuchtig, wie zum Schutz vor Panzern. Die Dresdner nennen sie liebevoll „Legosteine“. Der Polizeipräsident nennt sie „Nizza-Sperre“. Das eine klingt nach Spielzeug, das andere nach Urlaub. Doch die Betonklötze sind Terrorabwehr. Der Islamismus erschüttert die Welt. Sachsen erschüttert vor allem der Terror gegen Flüchtlinge. Die Anspannung ist groß. Der Beton soll Halt geben in unsicheren Zeiten.

Thomas Geithner, Sprecher der Dresdner Polizei, sagt, dass die Stadt gut vorbereitet sei. „Die Blöcke bilden einen Ring um das Festgelände, um ein Szenario wie in Nizza zu verhindern.“ Bei dem Attentat in der französischen Küstenstadt war im Juli ein Mann mit einem Lkw in eine Menge gerast und hatte 84 Menschen getötet. Das ist nicht vergleichbar mit der Detonation zweier Bomben vom Montagabend an einer Dresdner Moschee und dem Kongresszentrum. Aber diese Explosionen haben gezeigt, dass es in der Stadt ein Bedrohungspotenzial gibt.

Am Mittwoch tauchte ein Bekennerschreiben auf einer linksautonomen Internetseite auf. Die Zweifel an dessen Echtheit sind groß. Sprache und Inhalt sind untypisch für die Szene. Möglich ist, dass Rechte das Schreiben auf die Seite gestellt haben. Linke und Rechte bekämpfen sich in Sachsen seit Jahren.

Das Bundesland ist Spitzenreiter in Statistiken, die den Grad des Hasses messen: 74 Übergriffe gegen Asylunterkünfte 2015, dreimal so viele wie in Nordrhein-Westfalen. Auch bei der Zahl der Körperverletzungen gegen Geflüchtete liegt Sachsen vorn. „In Sachsen hat es schon immer eine starke rechtsextreme Szene gegeben“, sagt der Politologe Werner Patzelt von der TU Dresden. An manchen Orten erhielt die NPD bei Wahlen ein Viertel der Stimmen. „Spätestens seit 2014 haben radikale Einstellungen bis in die Mitte hinein Anklang gefunden – auch, weil man Demonstranten mit rechten Themen als Rechtsradikale behandelte.“

Aus rechtsradikalen Milieus würden nun weit mehr Leute als anderswo zur Gewalt gegen Geflüchtete und Muslime greifen. Wer mit Wissenschaftlern oder Politikern spricht, bekommt einen Strauß an Ursachen gereicht. 1989 der Widerstand gegen das DDR-Regime, heute der Protest gegen das „Merkel-Regime“. Auch damals gab es Ausschreitungen in Sachsen. Die Grenzen zwischen Heimatliebe und Fremdenfeindlichkeit verfließen zunehmend. Pegida-Themen wie Überfremdung und Islamisierung zündeten auch dank dieser Grundstimmung.

Es gibt auch Protest gegen Pegida, es gibt Gewalt von Linken, es gibt ein Abwehrzentrum der Polizei gegen Ex­tremisten – auch das ist Sachsen. Polizist Geithner weist Vermutungen, die Polizei sei auf dem rechten Auge blind, zurück. „Für mich und meine Kollegen werden Straftaten jeder Art ohne Ansehen der Person verfolgt.“

Patzelt hingegen sieht Politik und Polizei in der Mitverantwortung. „In der Polizei waren lange Zeit Beamte tonangebend, die noch in der DDR geschult wurden und dem jetzt unter freiheitlichen Bedingungen aufwachsenden Rechtsradikalismus mit Rezepten aus einem autoritären Staat beikommen wollten.“ In der CDU-Regierung sei die Haltung verbreitet, es gebe kein Problem mit Rechten. Kurt Biedenkopf regierte zwölf Jahre das Land. Er sagte einst: Sachsen sei weitgehend „immun“ gegen Rechtsextremismus.