Berlin. Die SPD kann wieder die Regierung im Berliner Abgeordnetenhaus stellen. Wegen hoher Verluste bleibt ihr aber nur ein Dreierbündnis.

Die SPD ist bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin trotz deutlicher Verluste stärkste Partei geworden. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) muss sich aber einen neuen Koalitionspartner suchen. Die bisher mitregierende CDU fuhr am Sonntag ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Berlin-Wahl ein. Die AfD schafft mit einem zweistelligen Ergebnis den Einzug ins Parlament. Auch die FDP überspringt die Fünf-Prozent-Hürde. Die Piratenpartei fliegt raus.

Nach dem amtlichen Zwischenergebnis erreichte die SPD 21,6 – dies ist das schlechteste Ergebnis eines Siegers bei Landtagswahlen. Die CDU kam auf 17,6 Prozent. Die Linken lagen bei 15,6 Prozent, die Grünen bei 15,2 Prozent. Die AFD verbuchte 14,2 Prozent. Die FDP, die fünf Jahre nicht im Abgeordnetenhaus vertreten war, lag bei 6,7 Prozent und schaffte den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Piraten stürzten ab.

Das bundesweit erste rot-grün-rote Bündnis?

Die Sitzverteilung im neuen Parlament sieht so aus: SPD 38 Sitze, CDU 31, Linke 27, Grüne 27, AfD 25, FDP 12 Sitze. Die Wahbeteiligung lag bei 66,9 Prozent.

Bündnisse zweier Parteien in der Hauptstadt sind nicht mehr machbar. Rechnerisch möglich sind Dreierbündnisse. Müller, dessen Partei seit 15 Jahren den Regierungschef im Roten Rathaus stellt, hatte für diesen Fall im Wahlkampf ein Zusammengehen mit Grünen und Linken in den Blick genommen. Es wäre bundesweit die erste rot-grün-rote Koalition unter Führung der Sozialdemokraten. In Thüringen regiert ein Bündnis dieser drei Parteien mit einem Linken-Ministerpräsidenten.

Weder SPD noch Grüne wollen mit der CDU regieren

Eine Koalition mit der CDU von Spitzenkandidat und Innensenator Frank Henkel hatte Müller ausgeschlossen, die Grünen ebenso. Mit der AFD will keine der anderen Parteien zusammenarbeiten.

Die Grünen, die in der Hauptstadt traditionell fest verankert sind, könnten hier erstmals seit 2002 wieder in Regierungsverantwortung kommen. Spitzenkandidatin Ramona Pop hatte sich ebenso wie die Linken offen für eine Dreier-Koalition mit der SPD gezeigt. „Offensichtlich sieht es so aus, dass eine Regierungsbildung an den Grünen vorbei nicht mehr möglich ist“, sagte Pop am Abend.

Linkspartei hatte schon von 2001 bis 2011 mitregiert

Die Linkspartei mit Landeschef Klaus Lederer konnte anders als bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ihr Ergebnis steigern. Dort musste sie starke Einbußen hinnehmen. In Berlin hatte die Partei bereits von 2002 bis 2011 als Juniorpartner mit der SPD zusammen regiert.

Bis zur Bundestagswahl im September 2017 gibt es mit den Wahlen im Saarland (26. März), in Schleswig-Holstein (7. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (14. Mai) drei weitere politische Stimmungstests.

Weltoffene Metropole versus innere Sicherheit

Bei der Wahl 2011 in Berlin wurde die SPD mit 28,3 Prozent stärkste Partei. Dahinter folgten CDU (23,3 Prozent), Grüne (17,6 Prozent), Linke (11,7 Prozent) und die Piraten (8,9 Prozent), die damals erstmals in ein Landesparlament einzogen.

Die SPD hatte sich im Wahlkampf ähnlich wie die Grünen für eine weltoffene Metropole eingesetzt, in der auch die Flüchtlinge ihren Platz haben. Die CDU legte ihren Schwerpunkt auch damals auf innere Sicherheit. Für Müller (51) war es die erste Abgeordnetenhauswahl. Er hatte nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit das Amt des Regierungschefs im Dezember 2014 übernommen. In seiner kurzen Amtszeit musste vor allem der enorme Flüchtlingsandrang organisiert werden. Für weltweite Schlagzeilen sorgte das Chaos bei dem zuständigen Amt Lageso.

Höhere Wahlbeteiligung als 2011?

Zur Wahl des neuen Landesparlaments waren knapp 2,5 Millionen Bürger aufgerufen. Es gab dieses Mal eine höhere Wahlbeteiligung als 2011. Parallel wurden die Kommunalparlamente in den zwölf Bezirken gewählt, die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Die AfD erhielt gleich mehrere Stadtratsposten - und damit Verwaltungsmacht.

Die Berliner SPD will nach den Worten ihres Fraktionschefs Raed Saleh mit allen demokratischen Kräften über eine mögliche Regierungsbildung sprechen. „Wir sind stärkste Kraft, wir haben den Regierungsauftrag“, sagte Saleh am Sonntagabend. Die Verluste der SPD von etwa fünf Prozentpunkten nannte er „sehr bitter“.

CDU will Dreierbündnis „jenseits von Rot-Grün-Rot“

Der Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer hält seine Partei für einen der großen Sieger bei der Abgeordnetenhauswahl. „Wir haben unser Wahlziel mehr als erreicht. Und das bei einer deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung. Ich hätte das so nicht für möglich gehalten“, so Lederer.

CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel räumte die Niederlage seiner Partei ein: „Wir haben eine gute Bilanz, aber ganz offensichtlich ist es uns in diesem Wahlkampf nicht gelungen, die Bilanz in eine erfolgreiche Kampagne und in Wählerstimmen umzusetzen“. Die CDU wirbt nun für ein Dreibündnis unter ihrer Beteiligung. „Herr Müller muss klären, ob er ein Linksaußen-Bündnis möchte oder ob er auf Stabilität in der Mitte setzt“, sagte Vorstandsmitglied Monika Grütters. Es gebe auf jeden Fall Mehrheiten jenseits von Rot-Grün-Rot, etwa eine Bündnis mit der CDU und den Grünen oder der FDP. (dpa)