Prag.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat von der tschechischen Regierung keine Unterstützung für ihre Flüchtlingspolitik bekommen können. Bei Merkels Besuch in der Hauptstadt Prag hielt die Mitte-Links-Regierung am Widerstand gegen EU-Länderquoten für die Aufnahme von Schutzsuchenden fest. „Wir können keinem System zustimmen, dass auf verpflichtenden Quoten zur Umverteilung von Flüchtlingen besteht“, sagte Ministerpräsident Bohuslav Sobotka. Merkel betonte hingegen: „Ich denke, wir bleiben im Gespräch.“ Vor dem Regierungssitz protestierten Dutzende mit einem Pfeifkonzert gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Zuwanderungsgegner und Rechtspopulisten hatten zu sechs Kundgebungen aufgerufen.

Die CDU-Politikerin sprach in Prag auch über andere Fragen der Zukunft Europas nach dem britischen Brexit-Votum und über bilaterale Themen. Merkel lobte das gute Verhältnis zu Prag in anderen Bereichen als der Migrationspolitik. „Dass die Beziehungen so gut sind, hängt auch stark mit der Arbeit von Bohuslav Sobotka zusammen – das trägt Früchte“, sagte sie.

Anfang Oktober tritt ein neues Polizeiabkommen in Kraft, das etwa vorläufige Festnahmen im jeweils anderen Land ermöglicht. „Das wird die Situation auch im grenznahen Bereich deutlich verbessern“, sagte Merkel. Am Abend wollte sie mit Präsident Milos Zeman zusammenkommen, der ihre Willkommenspolitik als „Unsinn“ und „absurden Humanismus“ abgetan hatte.

Vor ihrem achtstündigen Besuch in Prag hatte Merkel in Estland politische Gespräche geführt. Zur künftigen Ausrichtung der EU nach dem Brexit-Votum sagte Merkel dort: „Es kann uns gelingen, den Beschluss Großbritanniens zu verkraften, aber dafür müssen wir hart arbeiten.“ Deshalb haben die verbliebenen 27 EU-Staaten einen „Reflexionsprozess“ und eine „Phase des Nachdenkens“ begonnen. Dies sei in Familien so üblich, sagte sie.

Nach den Brexit-Beratungen mit den Regierungen kleinerer EU-Länder will Kanzlerin Merkel am Freitag kommender Woche mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprechen. In Schloss Meseberg bei Berlin wolle sie mit Juncker das bevorstehende Treffen aller EU-Mitgliedsstaaten außer Großbritannien in der slowakischen Hauptstadt Bratislava am 16. September erörtern, sagte ein EU-Diplomat am Donnerstag. Dort wollen die verbleibenden 27 Mitglieder der Union beraten, wie es nach dem beabsichtigten Austritt Großbritanniens aus der EU weitergehen soll.