Auschwitz . Franziskus setzt sich mit stillem Besuch von seinen Vorgängern ab. Dann findet er doch ein paar Worte

Es ist ein Weg in die Dunkelheit. Papst Franziskus geht gebeugt, langsam, mit gesenktem Kopf in den Todesbunker im früheren Konzentrationslager Auschwitz. Der Weg führt ihn in die Zelle hinab, in der der Franziskanermönch Maximilian Kolbe dem Tod entgegenhungerte, bis er vor 75 Jahren mit einer Giftspritze ermordet wurde. Er hatte sich für einen anderen Häftling auf eine Todesliste setzen lassen. Eine Spur von Licht fällt durch das vergitterte Fenster. Franziskus setzt sich und verharrt im Gebet.

Von diesem Papst-Besuch in dem ehemaligen deutschen Vernichtungslager auf polnischem Boden werden wenig Worte, aber entscheidende Gesten in Erinnerung bleiben. Die wenigen Worte lauten: „Herr, habe Erbarmen mit deinem Volk. Herr, vergib uns so viel Grausamkeit.“ Sie stehen in kleiner Schrift im Besucherbuch der Gedenkstätte. Unterschrift: Franziskus.

Im Hintergrund stehen die Ruinen der Gaskammern

Viel ist im Vorfeld über das Schweigen des argentinischen Papstes geredet worden. Ob es angemessen sei, an einem Ort, an dem die Nazis mehr als 1,1 Millionen vor allem jüdische Menschen ermordeten, nicht das Wort zu ergreifen? Ob Schweigen angemessen sei für das Oberhaupt der katholischen Kirche, der immer wieder vorgeworfen wird, während der Naziherrschaft nicht die Stimme gegen die Verbrechen erhoben zu haben? Franziskus’ Vorvorgänger, der Pole Johannes Paul II., hatte hier 1979 eine Messe gehalten. Und der deutsche Papst Benedikt XVI. hielt 2006 eine Ansprache. Auch Benedikt hatte vor, zu schweigen, aber als deutscher Papst hätte er damit wohl ein falsches Signal gesendet. In seiner Rede klagte er das Schweigen Gottes an.

Jüdische Verbände lobten nun Franziskus’ Geste. „Die Stille sagt manchmal mehr als alle Worte“, sagt auch ein Rabbiner aus Buenos Aires, der den Besuch vor Ort verfolgt. „Das Schweigen ertönt umso lauter.“ Auch die, welche die Verbrechen erlebt haben, sind zufrieden. „Ich habe den Besuch als anrührend und bewegend empfunden. Sein Blick war richtig tief, er hat sich mit jedem von uns befasst“, sagt die Überlebende Eva Umlauf nach der Begegnung mit dem Papst.

Eine andere frühere Gefangene sieht das etwas anders. „Ob er etwas sagt oder nicht – ich bin kein religiöser Mensch, es sagt mir also so oder so nichts“, sagt Roza Krzywoblocka-Laurow. „Aber es ist natürlich wichtig, wenn jemand wie der Papst mit seiner Anwesenheit an das erinnert, was hier geschehen ist“, fügt sie hinzu. „Er musste nichts sagen, man konnte spüren, dass er ergriffen war. Ich denke, er ist ein sehr feinfühliger Mensch“, sagt Maria Augustyn, deren Eltern ein jüdisches Paar vor den Nazis versteckt hatten und damit ihr Leben riskierten.

„Wir müssen Zeugnis ablegen, aber 90 Prozent von uns sind mit ihrem Zeugnis als grauweißer Rauch durch den Schornstein gegangen“, erinnert Roman Kent, Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees. Er hält das Schweigen für eine „schöne Geste“. „Aber auf der anderen Seite will man immer hören, was der Papst sagt. Denn auch wenn wir noch leben, erscheinen leider solche Berichte, die hinterfragen, ob es das tatsächlich gegeben hat oder nicht.“

Die Überlebenden, die der Papst nicht persönlich trifft, warten auf dem Gelände des damaligen Vernichtungslagers Birkenau. Ein Baby beginnt zu schreien, als der 79-jährige Pontifex schweigend an den Gedenktafeln des Mahnmals vorbeigeht. Im Hintergrund stehen die Ruinen der Gaskammern und Krematorien. Kindergeschrei, das ist auch ein Zeichen, dass es Hoffnung geben kann. Gerade weil der Papst seinen Besuch in Auschwitz in den Weltjugendtag eingebettet hat, der in Krakau stattfindet.