Berlin.

Vor mehr als 100 Jahren verhafteten die türkischen Behörden in Istanbul die gesamte Führungsschicht des armenischen Volkes. Es war der Auftakt zu einer Welle der Vertreibung und Vernichtung durch das Osmanische Reich. Nach verschiedenen Schätzungen kamen während des Ersten Weltkrieges 1915 und 1916 bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Historiker sprechen von systematischer Verfolgung. Die Türkei – Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches – geht von viel weniger Toten aus. Ankara weigert sich, die Gräueltaten als „Völkermord“ anzuerkennen.

Die Armenier gerieten in die Mühlen des Ersten Weltkrieges

Schon im Jahr 301 hatte Armenien als erster Staat überhaupt das Christentum zur Staatsreligion erklärt. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges lebten im Osmanischen Reich nach Schätzungen zwischen zwei und 2,5 Millionen Armenier. Im Kampf gegen das christliche Russland zweifelte die osmanische Regierung an ihrer Loyalität. Die gesamte Minderheit geriet in den Verdacht, mit dem Feind gemeinsame Sache zu machen und den osmanischen Truppen in den Rücken zu fallen.

Die Armenier gerieten in die Mühlen des Krieges: Briten und Russen förderten ihren Nationalismus, um den Kriegsgegner Osmanisches Reich zu schwächen, dessen enger Verbündeter das Deutsche Kaiserreich war. Es kam zu Aufständen und brutaler Verfolgung. In seinem gleichnamigen Buch wirft der Journalist Jürgen Gottschlich Deutschland „Beihilfe zum Völkermord“ vor. Deutsche Militärs und Diplomaten hätten von den Massakern gewusst und sie sogar gutgeheißen, gehe aus Dokumenten hervor.

Im Laufe der Geschichte blieben die Armenier nur für kurze Zeiträume unabhängig. Meist wurden sie von fremden Mächten beherrscht: von Persern und Römern, Russen, Mongolen oder Türken. Durch Flucht und Vertreibung während des Ersten Weltkriegs wurden Millionen Armenier in alle Welt verstreut. Während die Republik Armenien heute rund drei Millionen Einwohner hat, leben gut zehn Millionen ethnische Armenier in der Diaspora. In Deutschland sind es nach Angaben armenischer Vereine gut 50.000.

Die zur Sowjetunion gehörende Republik Armenien erlangte mit dem Zerfall der UdSSR 1991 ihre Unabhängigkeit. Für das Land im Südkaukasus könnte die Bundestagsresolution am Donnerstag zu einem zentralen Erfolgsmoment seiner Außenpolitik werden. Seit Jahrzehnten arbeitet die Regierung darauf hin, dass die Massaker an den Armeniern durch das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg international als „Völkermord“ anerkannt werden.

Armeniens engster Verbündeter ist Russland. Mit Spannung erwarten die Armenier Ende Juni den Besuch von Papst Franziskus. Das katholische Kirchenoberhaupt hatte bereits 2015 offen den „ersten Völkermord im 20. Jahrhundert“ gebrandmarkt.