Berlin.

Das Bundeskriminalamt warnt nach einem Bericht der „Bild“ vor möglichen Terrorangriffen bei der Fußball-Europameisterschaft. Frankreich stehe „nicht zuletzt aufgrund der französischen Kolonialgeschichte in Nordafrika, des militärischen Engagements in Mali sowie der militärischen Unterstützung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ im Irak und Syrien fortlaufend im besonderen Fokus islamistisch motivierter Täter“, heißt es in einem BKA-Bericht. Die EM startet am 10. Juni in Paris.

Das Bundesinnenministerium wollte sich zum Inhalt des internen Papiers nicht äußern. Dass Frankreich im Fokus islamistischer Terroristen steht und auch Anschläge auf Fußballspiele drohen, ist keine neue Erkenntnis. Im November 2015 hatte sich das gezeigt, als während des Länderspiels zwischen Frankreich und Deutschland vor dem Stade de France mehrere Bomben durch Dschihadisten gezündet wurden. Seit Jahren sprechen Behörden von einer „hohen abstrakten Gefährdung“ durch Terrorismus. Hinweise auf einen Anschlag haben Polizei und Geheimdienste in solchen Fällen nicht. Vieles bleibt unsicher.

Doch es fällt auf: Die Sicherheitsbehörden zeigen sich in diesen Tagen mit Nachdruck alarmiert. Die EU-Polizeibehörde Europol warnte vor möglichen Anschlägen während der EM. Dem französischen Geheimdienst zufolge rüste sich der IS sogar für eine Welle von Bombenanschlägen. Geplant sei eine „neue Form des Angriffs“, sagte der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Patrick Calvar, laut einer nun veröffentlichten Abschrift vor dem Verteidigungsausschuss des Parlaments. Die Strategie: Sprengmittel, platziert an Orten mit Menschenmassen. Durch Wiederholung solcher Attacken solle ein Klima maximaler Panik erzeugt werden, so Calvar.

Auch dies ist keine neue Taktik der Dschihadisten. Bei den Paris-Attentaten griffen Terroristen fast zeitgleich zu den Bomben am Stade de France eine Konzerthalle, Cafés und Restaurants an. Die jetzigen Warnungen können daher auch Teil einer Kommunikationsstrategie der Behörden sein – nach dem Motto: Lieber einmal mehr warnen als zu wenig.

Laut BKA-Papier werden das EM-Finale und das Eröffnungsspiel zwischen Frankreich und Rumänien als besonders gefährdet eingestuft. Auch die Nationalmannschaften selbst seien gefährdet. Der Deutsche Fußball-Bund wollte dazu keine Stellung nehmen. Aus der DFB-Zentrale hieß es lediglich, das BKA-Papier enthalte bekannte Sachverhalte und bedeute keine neue Sicherheitslage. Vergangene Woche hatte BKA-Präsident Holger Münch im Interview mit dieser Zeitung betont, dass es bisher keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag während der EM gebe. Und doch sind Veranstalter, Behörden und die Teams alarmiert. Erst vor eineinhalb Wochen hatte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff gesagt, nach den Pariser Anschlägen vom November seien die Sicherheitsmaßnahmen für die EM merklich ausgeweitet worden. Die Veranstalter der Uefa halten es für möglich, dass nach Terrorwarnungen Spiele nachgeholt würden – dann ohne Zuschauer.

Aus Sicht von Terrorismusexperten, wie dem Norweger Petter Nesser, sind Angriffe vor allem durch den IS möglich. „In der Vergangenheit gab es allerdings relativ wenig Terrorakte in Stadien“, sagt Nesser dieser Zeitung. Er hebt hervor: „Bei der Angriffsserie im November in Paris war die Attacke direkt am Stadion aus Sicht der Terroristen mit einem toten Zivilisten am wenigsten erfolgreich.“ Dschihadisten könnten sich daher abseitige und für die Polizei schwer vorhersehbare Ziele wählen. Die Besucher der EM müssen sich auf starke Sicherheitskon­trollen einstellen. „Im Konzept der EM-Planer sind Sicherheitsinseln um Stadien, Trainingsgelände und Hotels eingeplant, also Korridore weit um die Stadien herum, zu denen nur noch Personen mit Tickets und Akkreditierungen Zugang haben“, so Dennis Pauschinger von der Universität Hamburg, der zu Sicherheitskonzepten bei Sportevents promoviert. „Trotz aller Maßnahmen ist klar: Absolute Sicherheit kann kein Staat gewähren.“