Tel Aviv. Beim Besuch Joe Bidens in Israel stirbt ein Amerikaner durch eine erneute Messerattacke

„Ich weiß nicht genau, ob es 100 oder 1000 Meter waren, aber es zeigt, dass es passieren kann, überall, zu jeder Zeit“, sagte Joe Biden gestern über den Anschlag, der kam ihm und seiner Familie gefährlich nah. Während der US-Vizepräsident am Dienstagabend nach seiner Ankunft in Israel mit Altpräsident Shimon Peres in Jaffa zusammentraf, stach ein 22-jähriger Terrorist im selben Vorort von Tel Aviv – in wenigen Hundert Metern Entfernung – wahllos auf Passanten ein. Bei seinem Amoklauf verletzte der Mann aus dem Westjordanland elf Menschen. Eines seiner Opfer starb – ausgerechnet ein junger US-Amerikaner.

Es war die letzte von drei schweren Attacken allein am Dienstag. Und auch gestern ging der Terror weiter. Unter anderem wurden zwei Palästinenser in Jerusalem getötet, als sie versuchten, mit ihrem Auto in eine Menschenmenge zu rasen. 29 Israelis und vier Ausländer wurden in den vergangenen Monaten bei Anschlägen ermordet, etwa 180 Palästinenser kamen ums Leben, zwei Drittel von ihnen bei Angriffen auf Israelis. Häufig sind die Täter sogenannte einsame Wölfe, oft noch im Teenageralter, die sich von anderen Taten und über Social Media anstiften lassen.

„Die Art der Gewalt, die wir gestern gesehen haben“, sagte Biden, „das muss aufhören.“ War das Verhältnis der israelischen und der US-Regierung vor dem Besuch durch Misstrauen gekennzeichnet, wirkten Joe Biden und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun vereint. Doch Differenzen bleiben. Zu frisch ist der Eindruck von Netanjahus Rede vor dem US-Kongress, als er den von Barack Obama betriebenen Atomdeal mit dem Iran verhindern wollte. Zu groß ist der Schaden nach der gescheiterten Friedensinitiative und dem Abrücken Netanjahus von der Zweistaatenlösung im Wahlkampf vor einem Jahr.

Das wichtigste Hoffnungszeichen wäre die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde. Doch dazu ist Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas erst bereit, wenn die Israelis den Siedlungsbau einfrieren. In Anbetracht von Netanjahus Bündnis mit der ultrarechten Siedlerpartei Jüdisches Heim und der hauchdünnen Mehrheit seiner Koalition ist das eine unerfüllbare Bedingung. Tatsächlich hatte auch Oppositionsführer Jitzchak Herzog eine Zweistaatenlösung zuletzt für „gegenwärtig unrealistisch“ erklärt.

In dieser Lage sind es ausgerechnet Mitglieder des Militärs und der anderen Sicherheitsbehörden, die sich für eine engere Zusammenarbeit mit den Palästinensern und vorsichtigere Maßnahmen aussprechen.

Und auch US-Vizepräsident Joe Biden mahnte gestern, „nur mit roher Gewalt“ ließe sich der Terror nicht stoppen.