Hampton.

Wer heute das Elend der Hillary Clinton verstehen will, muss sie fragen: Marianne Pernold. Die Fotografin war es, die der früheren First Lady 2008 in New Hampshire durch Zufall zum Sieg verhalf. Im „Cafe Espresso“ in Portsmouth stellte sie der Kandidatin damals kurz vor dem Urnengang vor laufender Kamera eine Frage, die der ganzen Welt vor Augen führte: Clinton ist doch keine unnahbare Maschine. Clinton hat Gefühle. Gut 10.000 Stimmen mehr als Barack Obama brachte ihr der Beinahe-Tränenausbruch damals ein. Diesmal blieb das Wunder von New Hampshire aus.

Als die Wahllokale geschlossen waren und der Außenseiter Bernie Sanders die Favoritin des Partei-Establishment pulverisiert hatte (60 Prozent zu 38 Prozent), stellte sich heraus, was viele Clinton-Anhänger nie auf dem Zettel hatten. In der Kategorie „Vertrauenswürdigkeit“ kam der Sohn jüdisch-polnischer Einwanderer auf Zustimmungswerte von mehr als 90 Prozent. Clinton, die allzu großer Nähe zur Hochfinanz verdächtigt wird, landete bei katastrophalen fünf Prozent. Ein Misstrauensvotum erster Güte, eine Demütigung. Auch dass Sanders bei jungen Wählern unter 25 und besonders bei jungen Frauen mit einem gewaltigen Vorsprung abschnitt, muss als „alarmierend“ gewertet werden, schreiben viele US-Zeitungen. Clinton gestand ein, in den genannten Wählergruppen „großen Nachholbedarf“ zu haben. Sie hakte die Niederlage mit einem verkrampften Lächeln ab und richtete den Blick auf die kommenden Vorwahlen. Was sonst?

Dabei gab die frühere Außenministerin zwischen den Zeilen einen Vorgeschmack auf das, was ihre Wahlkampfmaschine für Sanders bereithält: Attacke pur. Amerika benötige „realistische Veränderungen“, sagte sie. Die auf Umverteilung, Reichensteuer, Bankenzerschlagung und massive Ausweitung sozialer Leistungen setzende Programmatik Sanders‘ böten dagegen nicht mehr als unbezahlbare und politisch nicht durchsetzbare Scheinlösungen. „Ich werde härter als jeder andere dafür arbeiten, tatsächlichen Wandel herbeizuführen und Euer Leben besser zu machen“, rief sie ihren Anhängern zu.

Sanders sieht sich dagegen an der Spitze einer Zeitenwende. „Was heute Nacht passiert ist, wird ein Echo haben von Wall Street bis nach Washington“, sagte er. „Die Botschaft lautet: Die Regierung unseres Landes gehört allen Menschen, und nicht nur einer Handvoll Superreichen.“ Analysten aller Denkschulen sind jedoch im Zweifel, ob Sanders‘ Erfolg nachhaltige Wirkung haben wird. Schon die nächsten Vorwahlen in Nevada und South Carolina stellen den 74-Jährigen Senator aus dem weißen Vermont vor ein anderes Wählerspektrum: In beiden Staaten gibt es starke afroamerikanische und hispanische Bevölkerungskreise. Anders als Sanders genießt Clinton seit der Amtszeit ihres Mannes Bill im Weißen Haus dort nicht nur einen großen Bekanntheitsgrad – sondern auch mehr als respektables Ansehen.