Moskau.

Russlands geballte Wut nach dem Abschuss des Kampfjets durch die Türkei ließ nicht lange auf sich warten. Mit Steinen attackierten Demonstranten die türkische Botschaft in Moskau und warfen Fensterscheiben ein. Reiseveranstalter stornierten nur Stunden nach dem Zwischenfall im syrischen Grenzgebiet vorerst alle Touren in das beliebte Urlaubsland Türkei, russische Unternehmer stellten ihre Zusammenarbeit mit türkischen Investoren auf den Prüfstand. Und russische Fußballklubs annullierten ihre Winterlager in dem warmen Land.

Von Vergeltung wollte Moskaus Chefdiplomat, Außenminister Sergej Lawrow, am Mittwoch zwar nichts wissen. „Das ist keine Rache – bloß Vorsicht“, sagte er. Zugleich geißelte er scharf den Abschuss des Kampfflugzeugs. Man habe genug Informationen, dass der Abschuss geplant gewesen sei. „Dies war ganz offensichtlich ein Hinterhalt: Sie warteten, beobachteten und haben einen Vorwand gesucht.“

Mit dem Abschuss des Jets stürzt das bereits belastete türkisch-russische Verhältnis in eine Eiszeit. Nein, es gebe vorerst keine militärische Zusammenarbeit mit der Türkei mehr, betont Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Der Abschuss ist auch ein schwerer Schlag im Ringen um eine internationale Koalition gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) – kurz vor dem mit Spannung erwarteten Besuch von Frankreichs Präsident François Hollande bei Kremlchef Wladimir Putin an diesem Donnerstag. „Die Türkei hätte ein Herzstück dieser Koalition sein können. Aber das ist schon Geschichte“, schreibt die russische Zeitung „Kommersant“.

Außenminister Lawrow sprichtvon „gezielter Provokation“

Außenminister Lawrow berichtete, sein türkischer Kollege Mevlüt Cavusoglu habe ihm telefonisch sein Beileid für den Tod der russischen Soldaten ausgedrückt. Er habe aber auch versucht, das Verhalten der Türkei zu rechtfertigen. Angeblich habe die türkische Flugleiterzentrale nicht gewusst, dass es sich bei der SU-24 um ein russisches Flugzeug gehandelt habe. Lawrow nannte diese Erklärung nicht stichhaltig und meinte, der Abschuss des Kampfflugzeuges sei eine „geplante Provokation“ gewesen.

Der überlebende Pilot des Jets wies am Mittwoch die Darstellung einer Warnung durch das türkische Militär zurück. „Es gab keine Warnungen, nicht per Funk, nicht visuell, wir hatten überhaupt keinen Kontakt“, sagte er der russischen Agentur Interfax zufolge. Die Türkei blieb indes bei ihrer Version: Das Militär veröffentlichte am Abend einen angeblichen Mitschnitt des Funkspruchs an den Piloten.

Einen weiteren Abschuss eines Flugzeuges im syrisch-türkischen Grenzgebiet will der Kreml unter allen Umständen verhindern. Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums und des Generalstabs gaben mehrere Maßnahmen bekannt: So sollen russische Bomber nur noch in Begleitung von zwei Kampfjets fliegen. Man will in Nordsyrien den modernen Luftabwehrkomplex S400 stationieren. Zudem wird der Kreuzer Moskwa in eine Position gebracht, in der er ebenfalls bei der Luftabwehr gegen „feindliche Flugzeuge“ einsetzbar ist. Bei „feindlichen Flugzeugen“ handelt es sich nach russischer Logik zweifellos um türkische Kampfflugzeuge – und damit um Flugzeuge eines Nato-Landes.

Neben militärischen gibt es wirtschaftliche Gegenmaßnahmen. Der Kreml hat die Bürger des Landes vor Reisen in die Türkei gewarnt. Sollten die Russen dem Aufruf massenhaft folgen, wäre das ein harter Schlag für die Türkei, denn dort machen jährlich vier Millionen Russen Urlaub.