Washington. Republikaner sehen Sicherheitsrisiken und vereiteln Präsident Obamas Plan, im nächsten Jahr wenigstens 10.000 Syrer aufzunehmen

Sechs Tage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 machte George W. Bush eine Geste, die im Nachhinein verblüfft. Der US-Präsident besuchte eine Moschee und unterschied fein zwischen „Verrätern“, die den Islam „in Geiselhaft nehmen“ und „unseren vielen muslimischen Freunden“. Bush, der Amerika später in die Kriege in Afghanistan und im Irak führen sollte, warnte davor, für die Taten „einiger weniger“ eine ganze Religion in Haftung zu nehmen.

Sein Unterscheidungsvermögen ist den republikanischen Führungsfiguren des Jahres 2015 völlig abhanden gekommen. Nach den Terroranschlägen von Paris setzen die Konservativen im Kongress auf eine Politik der Abschreckung. Mit 289 zu 137 Stimmen durchkreuzten sie im Repräsentantenhaus den Plan von Präsident Obama, das Elend des syrischen Bürgerkrieges symbolisch zu lindern. Sein Plan, nächstes Jahr 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen, ist vorerst vereitelt. Im Wechselspiel zwischen Wahlkampf und einer verunsicherten Bevölkerung erscheinen die Elenden aus Aleppo plötzlich als Bedrohung für die nationale Sicherheit. „Wir können nicht zulassen, dass Terroristen unsere Großzügigkeit ausnutzen und sich unter die Flüchtlinge mischen“, sagt Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses.

Er und die anderen Republikaner verlangen für jeden einzelnen Flüchtling eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Bundespolizei FBI und dem Heimatschutzministerium. „Nicht machbar“, winkt Justizministerin Loretta Lynch ab. Trotz des beispiellos engmaschigen Auswahlverfahrens für Flüchtlinge, sagte die Obama-Vertraute, könne man nie eine hundertprozentige Garantie abgeben.

Obama hat sein Veto gegen die „unmenschliche und unamerikanische“ Abschottungspolitik angekündigt. Aber wenn der Senat nächste Woche nicht interveniert, reichen die Mehrheitsverhältnisse nicht, um die Republikaner in die Schranken zu verweisen. Dass die Einwanderungsnation Amerika sich einigelt, findet in der Bevölkerung inzwischen eine dünne Mehrheit. 53 Prozent lehnen eine Willkommenskultur für syrische Flüchtlinge ab, hat der Wirtschaftsdienst Bloomberg ermittelt. Nur 28 Prozent waren für eine humanitäre Geste. Ein Unbehagen, auf dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gerade surfen.

Donald Trump machte schon vor Wochen den Anfang. Syrer aufzunehmen, polterte der Umfragenkönig, sei so, als hole man sich ein trojanisches Pferd ins Land. Konkurrent Ben Carson verglich die Flüchtlinge indirekt mit „tollwütigen Hunden“. New Jerseys Gouverneur Chris Christie plusterte sich mit dem Satz auf, dass unter seiner Führung nicht einmal „dreijährige Waisenkinder“ aus Syrien ins Land kämen. Mehr als 30 Gouverneure kündigten zivilen Ungehorsam an, sollte die Zentralregierung ihnen syrische Flüchtlinge zuweisen.

Das Weiße Haus ist entsetzt über die harte Haltung

Im Weißen Haus ist man über die beinharte Haltung gegenüber „den verletzlichsten Menschen in der Welt“ (Obama) irritiert bis entsetzt. Zumal auch fast 50 demokratische Abgeordnete die Null-Toleranz-Linie der Republikaner unterstützten. Obamas Versuch, dem Kongress mit Fakten die diffuse Angst zu nehmen, ging schief. Niemand wollte hören, wie hoch die Hürden sind, bevor Bürgerkriegsflüchtlinge in die USA einreisen dürfen: Bei Syrern dauert die Prozedur derzeit zwei Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, dass Terroristen über diesen Weg eingeschleust werden, sagte Staatssekretärin Anne Richards, sei „sehr, sehr gering“. Entschieden einfacher sei es, in Europa von der Visapflicht ausgenommene Islamisten per Flugzeug als Touristen nach Amerika zu schicken.

Von 750.000 Flüchtlingen, die Amerika seit den Anschlägen vom 11. September 2001 aufgenommen hat, wurden bisher nur drei wegen terroristischer Umtriebe inhaftiert. Auch darum warnt Präsident Obama davor, die Leidtragenden des Bürgerkriegs zu Sicherheitsrisiken zu stempeln. „Flüchtlingen die Tür vor der Nase zuzuschlagen, ist ein Verrat an unseren grundlegenden Werten.“