Brüssel/Washington.

Es ist eine Premiere, für Proben war keine Zeit: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte erklärt die EU uneingeschränkte Bereitschaft, kollektiv einen Mitgliedsstaat zu verteidigen. Frankreich stellte bei einer Sitzung der EU-Verteidigungsminister feierlich den Antrag, 27 anderen Kollegen stimmten zu – umgehend, einhellig, viele auf Französisch.

So viel Geschlossenheit kommt in der EU nicht alle Tage vor. Dort präsentiert man sich oft sperrig, langsam und zerstritten. Diesmal seien „Emotionen im Raum spürbar gewesen, die es normalerweise im Ministerrat nicht gibt“, berichtete Federica Mogherini, die EU-Chef-Diplomatin. Der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian zeigte sich bewegt vom Mitgefühl der Kollegen. „Wir sind eine Union“, erklärte Mogherini. „Ganz Europa wurde angegriffen.“ Das ist die Formel des Lissabon-Vertrags für den Fall „eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats“.

Bestimmte Verpflichtungen ergeben sich aus dem Beistandsbeschluss für Deutschland nicht. Die EU als Ganze wird laut Mogherini nur „einen wirksamen Rahmen für die Unterstützung“ liefern. Wer konkret was beisteuert, will Frankreich mit den Partnern bilateral aushandeln. Dabei geht es vor allem um Entlastung: „Ich habe den Kollegen gesagt: Frankreich kann nicht alles machen – Sahel-Zone, Zentralafrika, Libanon, Syrien – und dann noch das eigene Territorium schützen“, sagte Le Drian.

Deutschland bekundet Hilfsbereitschaft. Le Drian habe in einem bilateralen Treffen ihr gegenüber „keine konkreten Forderungen gestellt“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der französische Kollege sei „sehr erfreut“, dass die Bundesrepublik im Nordirak die Ausbildung und logistische Hilfe für den Kampf der kurdischen Peschmerga fortsetzen werde, die gegen den IS kämpfen, „erfolgreich“, wie von der Leyen betonte.

Vor allem aber wollen die Deutschen ihre Beteiligung an der Mali-Mission der UN (Minusma) aufstocken. „Wir werden dort mehr Engagement zeigen“, sagte von der Leyen, „und das ist aus französischer Sicht besonders wertvoll für die französische Präsenz in Westafrika – je erfolgreicher Minusma ist, desto mehr Entlastung haben die Franzosen.“ Minusma soll die Lage in Nord-Mali stabilisieren, wo 2013 eine Intervention der Franzosen den Vormarsch islamistischer Extremisten gestoppt hatte. Immer noch binde der Mali-Einsatz französische Kräfte, die angesichts der Terrorbedrohung dringend im eigenen Land benötigt würden, sagte von der Leyen.

Putin sieht Frankreich beim Kampf gegen IS als Verbündeten

Deutschland hat gegenwärtig nur acht Soldaten und eine Handvoll Berater für die UN-Mission abgestellt. Die Berliner Planungen für die (laut von der Leyen „sehr deutliche“) Aufstockung sollen spätestens im Januar beschlussreif sein.

Doch Frankreich spielt nicht nur die europäische Karte. Präsident François Hollande wird am kommenden Dienstag in Washington mit US-Präsident Barack Obama über den Kampf gegen den IS sprechen. Zwei Tage später reist er dann nach Moskau, wo er den russischen Präsidenten Wladimir Putin trifft.

In den USA gibt es Forderungen nach mehr Engagement gegen den IS. 60 Prozent der Amerikaner befürworten in Umfragen ein stärkeres militärisches Vorgehen ihres Landes gegen den IS. Die Republikaner drängen seit Tagen massiv auf eine Ausweitung der Kampfzone in Syrien und im Irak und bringen sogar US-Bodentruppen ins Spiel. Nur einer hält dagegen: Commander-in-Chief Barack Obama.

Je lauter der Ruf nach einem flächendeckenden Präventivschlag gegen die Radikal-Islamisten wird, die als nächstes Ziel ihres Feldzugs in Videos Washington ausgegeben haben, desto öfter warnt der Präsident vor unbedachtem Aktionismus. Konkret: US-Bodentruppen in nennenswerter Zahl wird es mit ihm bis auf Weiteres nicht geben. Stattdessen will die Airforce in Abstimmung mit Russen und Franzosen die Luftangriffe intensivieren. Besonderes Augenmerk gilt den zur Finanzierung des Terrorbündnisses wichtigen Ölfeldern.

Der russische Präsident setzt beim Kampf gegen den IS auf eine Annäherung an Frankreich. Er habe die russische Marine angewiesen, die Besatzung des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ zu kontaktieren und sie als Verbündete zu betrachten, sagte Putin am Dienstag beim Besuch eines Kommandozentrums in Moskau. Das Präsidialamt teilte zudem mit, Putin habe mit Hollande telefoniert. Dabei sei eine Zusammenarbeit der Streitkräfte beim Kampf gegen den IS vereinbart worden.