Berlin.

Die Integration der Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt wird nach Einschätzung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) „viel Geld und viel Zeit brauchen.“ Die Flüchtlinge könnten den Fachkräftebedarf vorerst nicht decken, warnte de Maizière am Donnerstag bei einer Fachkonferenz in Berlin. Deshalb könne Deutschland trotz der großen Zuwanderungszahlen auch nicht auf die zusätzliche Anwerbung von hochqualifizierten Fachleuten aus dem Ausland verzichten.

Bisher gibt es zwar keine belastbaren Erkenntnisse über die berufliche Qualifikation der in jüngster Zeit eingereisten Flüchtlinge. Das Bundesarbeitsministerium nannte bei der Konferenz aber Schätzungen, nach denen nur etwa ein Drittel der Erwerbsfähigen verwertbare Qualifikationen mitbringt, alle anderen müssten nachqualifiziert werden. Die Arbeitsmarktforscher der Bundesagentur für Arbeit rechnen daher in einer neuen Analyse damit, dass die Zahl der Arbeitslosen durch den Flüchtlingszustrom im kommenden Jahr um bis zu 200.000 zunehmen wird.

Die meisten Flüchtlinge stünden – wegen nicht abgeschlossener Anerkennungsverfahren – dem Arbeitsmarkt noch gar nicht zur Verfügung, dies werde sich 2016 und 2017 aber schrittweise ändern, heißt es in der Expertise. Und: Wegen fehlender Sprachkenntnisse und nur geringer Anteile abgeschlossener Berufsausbildungen würden sich die Flüchtlinge „nur langsam in den Arbeitsmarkt integrieren“. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, warnte bei der Konferenz davor, die Flüchtlinge mit deutschen Maßstäben zu messen: Der Großteil bringe zwar nicht die notwendigen Zertifikate, „aber es sind tüchtige und erfahrene Menschen“. Der Begriff Qualifikation dürfe nicht überstrapaziert werden. Weise verwies auf das Angebot zur Berufsvorbereitung der Bundesagentur, die die Kosten für eine Probebeschäftigung für drei Monate übernimmt.

De Maizière ging noch weiter: Er plädierte dafür, die bisherige Einzelfallprüfung von Qualifikationen auszusetzen. Besser sei es, die Flüchtlinge überhaupt erst einmal in Arbeit zu bringen, dabei stufenweise ihre Qualifikation festzustellen und dann gegebenenfalls Nachschulungen anzubieten.

„Die größte Hürde ist die Sprachkompetenz – wie sollen wir da erst die Qualität der Ausbildung beurteilen?“, so der Minister. Er kündigte an, dass im kommenden Jahr Integrationskurse für mindestens 400.000 Flüchtlinge angeboten würden – mehr als doppelt so viel wie 2015. Dies sei aber eine finanzielle wie organisatorische Herausforderung. Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea haben wegen ihrer guten Bleibeperspektive Zugang zu den Kursen, auch wenn ihre Verfahren noch nicht abgeschlossen sind.