Jerusalem.

Nach den tödlichen Anschlägen in Jerusalem hat die israelische Regierung die Altstadt am Sonntag für Palästinenser aus dem Westjordanland für zwei Tage gesperrt. Anwohner, palästinensische Frauen, Israelis und Touristen sind von dem Zutrittsverbot nicht betroffen.

Am Wochenende waren binnen weniger Stunden vier Menschen in Jerusalem getötet worden, darunter zwei palästinensische Angreifer. In der Nacht zum Sonntag stach ein Mann einen 15-jährigen Israeli nieder und wurde dann von Polizisten erschossen. Der Jugendliche wurde verletzt ins Krankenhaus gebracht. Kurz zuvor hatte ein Palästinenser in der Altstadt zwei Israelis mit einem Messer tödlich verletzt. Der Mann wurde ebenfalls von Polizisten erschossen.

Wegen der angespannten Sicherheitslage in seinem Land wird der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen Deutschland-Besuch um einen Tag verkürzen. Das bestätigte die israelische Botschaft in Berlin dieser Zeitung. Netanjahu reist nun erst am Mittwoch, den 8. Oktober, statt wie ursprünglich geplant am Dienstag, den 7. Oktober, an und verzichtet auf eine Übernachtung. Am Mittwoch werden die Regierungen von Deutschland und Israel in Berlin zu ihren sechsten Konsultationen zusammenkommen.

In Israel rechnen Experten mit einer dritten Intifada

Am Sonntag gab es bei Ausschreitungen im Westjordanland Dutzende Verletzte. Israelische Sicherheitstruppen gingen mit Gummigeschossen und Tränengas gegen palästinensische Demonstranten vor.

Angesichts eines Streits um die Nutzung des Tempelbergs in Jerusalem hatte es zuletzt immer wieder Konfrontationen zwischen Palästinensern und Israelis gegeben. Die radikalislamische Hamas verteidigte die Tötung von Juden als „klare Botschaft“ an Israel. Die Palästinenser seien bereit, bei der Verteidigung des Tempelbergs zu sterben. Israels Geheimdienstminister Israel Katz drohte mit einer neuen Militäroperation. „Wir werden unsere Maßnahmen gegen die Palästinenser verschärfen“, sagte er am Sonntag.

„Am Rande des Abgrunds“ betitelte die liberale Tageszeitung „Haaretz“ ihren Bericht über die neue Gewaltwelle. „Eine dritte Intifada zieht herauf“, kommentierte die Zeitung – und kritisierte die Regierung, der „nach Jahren diplomatischen Nichtstuns und sinnlosen Tötens“ nun nichts anderes einfiele als harte Maßnahmen. Dazu gehört unter anderem ein Reformvorschlag, langjährige Haftzeiten als Mindeststrafe für Steinewerfer festzulegen.

Die verstärkte Sorge vor einer Eskalation im Westjordanland steht auch im Zusammenhang mit der Rede von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vergangene Woche vor der UN-Generalversammlung in New York. Abbas hatte mit der Einstellung der Sicherheitskooperation mit Israel gedroht, sollte die Regierung in Jerusalem den bislang vereinbarten Friedensverpflichtungen nicht nachkommen und weiter Siedlungen auf palästinensischem Land bauen.