Riad/Kairo. Der Schiit soll geköpft und dann ans Kreuz gehängt werden

Wenn es nach seinen saudischen Scharfrichtern geht, hat Ali al-Nimr nicht mehr lange zu leben. Im Mai 2014 verurteilten sie ihn zum Tode mit anschließender Kreuzigung seiner Leiche, beschuldigten ihn, Mitglied einer Terrorgruppe zu sein und Polizisten angegriffen zu haben. Jetzt bestätigte der Oberste Gerichtshof des Königreichs das Verdikt, gegen das es keine Rechtsmittel mehr gibt.

Seitdem sitzt der junge Schiit im Gefängnis von Dammam in der Todeszelle. Im Februar 2012 hatte die Polizei den damals 17-jährigen Gymnasiasten in Qatif auf einer Demonstration für den Arabischen Frühling festgenommen, auf der Tausende im Osten Saudi-Arabiens lebende Schiiten ein Ende ihrer Diskriminierung und mehr politische Freiheiten forderten. Die Polizei erklärte dagegen, der Verhaftete habe ein Schnellfeuergewehr und einen Molotowcocktail bei sich gehabt.

Frankreich appelliert an densaudischen Königshof

Nun liegt der Fall auf dem Schreibtisch von König Salman, während sich weltweit Protest gegen das neuerliche drakonische Vorgehen der saudischen Justiz erhebt. Frankreichs Außenminister sowie vom UN-Menschenrechtsrat beauftragte Rechtsexperten appellierten an den Königshof, die Exekution zu stoppen, weil Ali al-Nimr zum Tatzeitpunkt minderjährig war. Weiter forderten die Vertreter der Vereinten Nationen, die Tatvorwürfe müssten von unabhängiger Seite geprüft werden genauso wie die Behauptung des Angeklagten, sein Geständnis sei durch Folter erzwungen worden. Mit höhnischen Kommentaren reagierten Menschenrechtler zudem auf die Entscheidung, ausgerechnet den saudischen Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf, Faisal Trad, zum Vorsitzenden eines Beratungsgremiums des UN-Menschenrechtsrates zu ernennen.

Unter den drei Millionen Schiiten im Osten Saudi-Arabiens hat die Familie al-Nimr einen prominenten Klang. Der Onkel des Verurteilten, der populäre Prediger Nimr Baqr al-Nimr gilt als einer der Vorkämpfer für die Rechte der schiitischen Minderheit, unter deren Siedlungsgebieten praktisch die Ölvorkommen des Landes liegen. Er wurde 2012 verhaftet, dabei angeschossen und im Oktober 2014 gemäß Scharia-Strafrecht zum Tode mit Kreuzigung verurteilt. Hinzu kommt, dass die Prioritäten des Königreichs seit Beginn des Jahres neu justiert werden.

Das Führungstrio von König Salman mit Kronprinz Mohammed Bin Nayef sowie Verteidigungsminister Mohammed Bin Salman sieht das iranische Hegemoniestreben als zentrale Bedrohung ihrer Heimat an. Im März begann Riad im Nachbarland Jemen einen Krieg gegen die schiitischen Hu­this, die es als fünfte Kolonne Teherans bezichtigt. Im Inneren fährt das Königshaus eine Politik der Unterdrückung von Bürgerrechtlern und Bloggern sowie einen kompromisslosen Kurs im Umgang mit der schiitischen Minderheit im Osten.

Den Prediger Nimr Baqr al-Nimr zu exekutieren, aber trauen sich die Machthaber bisher nicht. Zu groß wäre das Risiko, dass während des saudischen Feldzugs gegen den Jemen und den „Islamischen Staat“ im Irak unter der eigenen Bevölkerung Unruhen ausbrechen könnten. Aktivisten fürchten daher, das Königshaus wolle sich an dem jungen Ali al-Nimr vergreifen, um die Gefolgschaft seines prominenten Verwandten einzuschüchtern. Oder wie es ein Bewohner aus Qatif formulierte: „Das Todesurteil gegen Ali ist nichts anderes als die Rache an seinem Onkel.“