Berlin.

Kloster Banz liegt auf einem Berg. Schon entlang des Anstiegs haben sich Demonstranten postiert. Nicht alle tragen „Danke Viktor“-T-Shirts. Manche halten an diesem Mittwoch ein Stück Stacheldrahtzaun hoch. Alle meinen denselben Mann: Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, Gast der CSU im oberfränkischen Tagungsort. „Herr Seehofer rollt ihm einen roten Teppich aus“, schimpft in Berlin SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, „das ist nicht in Ordnung.“ An Orbán scheiden sich die Geister. So war es oft, daheim, in Europa, aktuell in der Koalition wie innerhalb der Union.

Öffentlich hüllt sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Schweigen. Intern vor den Unionsabgeordneten hatte Merkel erst am Vorabend klargemacht, dass ihr Orbáns Abschottungskurs in der Flüchtlingspolitik missfällt: „Mauern werden die Probleme nicht lösen.“ Nicht jeder teilte ihre Auffassung. Mehrere Parteifreunde warnten davor, den Stab über Orbán zu brechen.

Anderntags kritisiert CSU-Chef Horst Seehofer – in Orbáns Beisein – indirekt die Kanzlerin. „Durch eine deutsche Entscheidung“ seien geltende Regeln in Europa außer Kraft gesetzt worden. Gemeint ist Merkels Beschluss, in Ungarn festsitzende Flüchtlinge einreisen zu lassen. Nun habe man „chaotische Verhältnisse“ in Europa. „Es geht darum, europäische Regeln wieder zur Geltung zu bringen.“ Orbán habe dafür „Unterstützung und nicht Kritik verdient“, so Seehofer. Derart ermuntert tritt auch Orbán gegen die Kanzlerin nach: Ihrer Regierung wirft er „moralischen Imperialismus“ vor.

So ist er halt, selbstredend mit sich im Reinen, vor allem nicht aus der Fassung zu bringen. Als eine Journalistin ihn fragt, was er empfinde, wenn seine Polizisten auf die Flüchtlinge einschlagen, antwortet Orbán, er trenne zwischen Asylsuchenden und Straftätern, für die er „kein Mitgefühl“ habe – für die Opfer von Schleusern schon. Alleindas ungarische und europäische Recht müssten eingehalten werden, „auch wenn es uns das Herz bricht“. Es sei nicht die Aufgabe christlicher Politik, den Flüchtlingen in Europa ein besseres Leben zu versprechen, so Orbán.

Vielmehr plädiert er dafür, die Lebensbedingungen der Menschen in ihren Herkunftsländen zu verbessern und die Außengrenzen der EU besser zu überwachen. Als offene Flanke gilt Griechenland, weshalb er die Regierung in Athen überzeugen möchte, ihre Grenze von Polizeikräften aus anderen EU-Staaten sichern zu lassen.

Die Sozialdemokraten streuen Salz in die Wunden des Partners

Eigentlich ist es die gemeinsame Linie der Unionsparteien, dass die EU-Staaten die Flüchtlinge nach festen Quoten untereinander verteilen sollten. Doch Orbán erfährt in Kloster Banz keinen Widerspruch, als er ankündigt, falls Deutschland für sich die Entscheidung treffe, alle Flüchtlinge ins Land zu lassen, werde er sich an der Diskussion nicht beteiligen: „Ganz egal wie Deutschland sich entscheidet, das soll nur für sie gelten.“ Die CSU stört sich nicht am unversöhnlichen Auftritt. Parteichef Seehofer ist „froh, dass wir Viktor Orbán eingeladen haben“, und „dankbar, dass er auch gekommen ist“. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber von der CSU, schwärmt, der Ungar spreche in der Flüchtlingspolitik Fragen an, „die auf den Tisch gehören“. Die Ansicht teilen nach einer Insa-Umfrage im Auftrag von „Focus“ auch 33 Prozent der Bundesbürger, denn sie finden seine Abschreckungspolitik gut. Jeder Zweite (48 Prozent) ist mit Merkels Haltung in der Flüchtlingskrise im Großen und Ganzen unzufrieden.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi streut Salz in die Wunden der Unionsparteien, als sie die inneren Widersprüche des Partners gnadenlos herausarbeitet: „In Brüssel verweigert sich Ungarn jeder konstruktiven Einigung – und in Kloster Banz wird dem Asylgegner Orbán gehuldigt.“ Es könne doch nicht sein, „dass Seehofer in Berlin die politischen Entscheidungen mitträgt – und dann in Bayern genau das Gegenteil verkündet“. SPD-Fraktionschef Oppermann ist nach eigenen Worten „stark irritiert“. Ein gefundenes Fressen ist der Auftritt für die bayrische SPD. „Was will die CSU von Orbán denn lernen“, fragt Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher. „Wie man schutzbedürftige Bürgerkriegsflüchtlinge mit Tränengas, Schlagstöcken und Wasserwerfern fernhält?“