Washington/Berlin.

Büchel in der Eifel, 1117 Einwohner, zwischen Koblenz und Trier. Hier, auf dem Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr, lagern US-Nuklearwaffen. Nach einem Medienbericht plant Washington jetzt, 20 neue Atombomben in der Eifel zu stationieren. Das ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtet von US-Haushaltsplänen, aus denen ersichtlich sei, dass diese Waffen nach Rheinland-Pfalz verlegt werden sollen.

Es ist der verschwiegenste Aspekt der Nato-Abschreckungsstrategie – die sogenannte nukleare Teilhabe Deutschlands. Danach stationieren die USA bereits seit den 50er-Jahren Atomwaffen in der Bundesrepublik. Am Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern nach von der Bundesregierung bis heute nie offiziell bestätigten Schätzungen bis zu 20 Bomben der Typen B61-3 und B61-4. Sie stammen konzeptionell aus der Zeit des Kalten Krieges. Sie sind so gebaut, dass sie unter den Tragflächen von Kampfliegern zur Abwurfstelle transportiert werden. Sie haben nach Angaben von Militärexperten in Washington die 13-fache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe.

USA investieren 350 Milliarden Dollar in die Modernisierung ihrer Atomwaffen

Im Zuge eines gigantischen Modernisierungsprogramms des gesamten Atomarsenals, in das die USA im Laufe der nächsten zehn Jahre rund 350 Milliarden US-Dollar investieren wollen, sollen bis 2020 auch die rund 180 in Europa lagernden Atomwaffen technisch ertüchtigt werden. Von dem 2014 vom Kongress bestätigten „Lebensdauerverlängerungsprogramm“ sind auch die Bomben in Büchel betroffen. Sie sollen gegen neue B61-12-Bomben ausgetauscht werden, die mit GPS-Navigation als Lenkwaffen eingesetzt werden könnten. Nach vorläufigen Zahlen des US-Verteidigungsministeriums kosten diese modernen Waffen zehn Milliarden US-Dollar.

Kosten entstehen auch in Deutschland. Die Landebahn in Büchel wird für 120 Millionen Euro saniert. Rainer Arnold, Verteidigungsexperte der SPD, sagte dieser Zeitung, die Landebahn sei seit Langem sanierungsbedürftig. „Mit der Stationierung der US-Nuklearwaffen steht das in keinem direkten Zusammenhang.“ Arnold ist wie die Bundesregierung eigentlich für einen Abzug der Nuklearwaffen. „Doch unsere Nato-Partner sind derzeit dagegen – gerade vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts“, sagte Arnold. „Wir leben nun mal in einer Welt, in der wir alle aufeinander angewiesen sind.“

Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, fordert hingegen den Abzug der Nuklearwaffen. „Die Bundeskanzlerin sollte endlich den Mumm haben, dieses Ziel gegenüber den USA durchzusetzen“, sagte Gysi. Ähnlich sieht es Agnieszka Brugger, Verteidigungsexpertin der Grünen. „Es ist unglaubwürdig, wenn die Bundesregierung offiziell für atomare Abrüstung wirbt und auf der anderen Seite nichts gegen die Stationierung von US-Atombomben in Deutschland unternimmt“, sagte Brugger dieser Zeitung. „70 Jahre nach Hiroshima sollte endlich Schluss mit diesem Irrsinn sein.“ Stattdessen würden immer noch neue und schrecklichere Atombomben entwickelt.

Diverse Bundesregierungen haben sich in der Vergangenheit nach außen massiv für den Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland starkgemacht. Intern wurde die nukleare Teilhabe gleichwohl fortgeschrieben, obwohl der Bundestag zuletzt 2010 mit Mehrheit gegen die Atomwaffenstationierung votiert hatte. Sinngemäße Begründung aus Kanzleramt und Verteidigungsministerium: Ohne technisch hochwertige Raketen könne die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung nicht gewährleistet werden. Ein Einsatz von Nuklearwaffen ist im Grunde nur eine theoretische Option – Atombomben dienen mehr zur Abschreckung.

Technisch gesehen hat die Bundeswehr in Büchel keinen Zugriff auf die Waffen. Die USA überwachen die Bomben auf einem eigens gesicherten Teil des Stützpunktes mit einer 140-köpfigen Spezialeinheit. Verfügen kann den Einsatz am Ende nur der US-Präsident. Sollte es dazu kommen, wären deutsche Soldaten unmittelbar beteiligt. Weil die USA keine eigenen Flugzeuge vor Ort haben, müssten Bundeswehr-Tornados laut Nato-Bestimmungen Transport und Abwurf gewährleisten. Eigentlich will Berlin die Tornados ausmustern. Doch jetzt zeichnet sich eine teure Nachrüstung ab.