Beirut.

„Eure Zeit ist abgelaufen“, skandierten die Demonstranten. „Vorrang für die Bürger“ und „Nieder mit der Herrschaft der Korrupten“ stand auf den Transparenten der größten Massendemonstrationen im Libanon seit dem Mord an Ex-Premier Rafik Hariri vor zehn Jahren. Wochen lang türmte sich stinkender Müll auf Beiruts Straßen, seit im Juli die zentrale Deponie Naameh geschlossen werden musste. Jetzt haben die Libanesen die Nase voll von dem Gestank, dem Dauerversagen ihrer politischen Klasse und deren Selbstbereicherung. So schlagen die Proteste gegen die Verwahrlosung der Wohnviertel immer stärker um in eine Konfrontation zwischen dem Volk und seinen ungeliebten Volksvertretern.

Für Dienstagabend setzten die Rebellen, die ihre Bewegung „Ihr stinkt“ nennen, den Mächtigen ein Ultimatum. Bis dann soll das 128-köpfige Parlament, welches schon zwei Jahre über die legale Legislaturperiode hinaus amtiert, den Weg für Neuwahlen freimachen. Die Aktivisten verlangen den Rücktritt von Umweltminister Mohammad Mashnuq und eine funktionierende Müllabfuhr. Anderenfalls werde man eskalieren, heißt es.

Die Krise des Libanon, die sich auf den Plätzen von Beirut entlädt, hat viele Ursachen, der kleine Mittelmeeranrainer mit seinen vier Millionen Bürgern trudelt überfordert vor sich hin. Auch der syrische Bürgerkrieg lastet schwer auf dem Land. Libanon ächzt unter mehr als 1,5 Million syrischer Flüchtlinge, im Land leben mehr schulpflichtige Kinder aus Syrien als einheimische Kinder. Die Mietpreise sind in die Höhe geschossen. Zehntausende der Gestrandeten hausen in ärmlichen Zelten, Ställen oder Rohbauten.

Einen Bürgerkrieg wie zwischen 1975 und 1990 möchte dennoch keiner der jungen Aktivisten lostreten: „Wir wollen keine Revolution, wir wollen Reformen“, erklärte eine junge Demonstrantin.