Celle. Aufbruch der ersten Dschihadisten löste Sog aus

Sie nannten ihn den „wissenden Bruder“, er hatte immer ein offenes Ohr für jeden der jungen Wolfsburger Muslime und er sprach auch mehr über Allah als den bewaffneten Kampf. Tatsächlich war der aus Syrien angereiste Prediger aber Anwerber der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), der es binnen Jahresfrist schaffte, dass allein aus der Region Wolfsburg bis zu 20 junge Männer in den Kampf nach Syrien und dem Irak zogen.

Im Prozess wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gegen zwei Deutsch-Tunesier vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle schilderte der 27-jährige Angeklagte Ayoub B. am Dienstag auch ausführlich, dass man sich anfangs in Nebenräumen der tunesischen Moschee traf. Dann aber machten die Vorstände, darunter sein eigener Vater, Front gegen den radikalen Islamisten. Die jungen Leute wichen aus, trafen sich in Räumen der türkischen Moschee, wo man nicht verstand, was die Gruppe auf Arabisch besprach.

Ayoub B. blieb dabei, er sei eigentlich nur zum Studium des Islam und gegen den erklärten Willens seiner Eltern nach Syrien gereist und dort von Kämpfern des IS zu einer Kampfausbildung gezwungen worden . Von den dort vom IS verübten Gräueltaten habe der Prediger nichts erzählt: „Herr Richter, der Salafist kommt nicht zu Ihnen und sagt, du musst nach Syrien. Er kommt und sagt, Bruder, du musst beten.“ Er habe von einem neuen und gerechten Staat für Muslime geschwärmt aber ihm auch versichert: „Du wirst die Lichter der Türkei sehen und kannst jederzeit zurück.“ Nach der Einschätzung des Angeklagten hat die Ausreise der ersten Wolfsburger Sogwirkung innerhalb der Gruppe gehabt.

Offenkundig hat auch der Anwalt des zweiten Angeklagten Ebrahim H.B. seinem Mandanten geraten, umfassend auszusagen. Bereits zu Verhandlungsbeginn wurde vor dem Staatsschutzsenat ein Interview abgespielt, in dem der 26-Jährige seine ähnlich verlaufene Rekrutierung geschildert hat bis hin zu dem gescheiterten Plan, sich in Bagdad als Selbstmordattentäter in die Luft zu sprengen.