Berlin. Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen soll Beziehungen zwischen Medizinern und Pharmavertretern neu regeln

Korrupten Ärzten, Apothekern, Physiotherapeuten oder Pflegekräften drohen künftig bis zu drei Jahre Haft. Besonders schwere Fälle von Bestechung oder Bestechlichkeit werden sogar mit fünf Jahren Gefängnis geahndet. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) gegen Korruption im Gesundheitswesen. Danach machen sich auch Pharmavertreter strafbar, die aktiv bestechen. Patienten hätten ein Recht, das an Versorgung zu bekommen, was angezeigt und notwendig sei, sagte Maas im Anschluss. Das sei zwar der Regelfall. Es gebe aber auch „schwarze Schafe“ in den Heilberufen.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, erklärte: „Wir haben ein Gesetz zur Bekämpfung der Korruption grundsätzlich befürwortet.“ Er befürchte aber, dass es zu Verunsicherungen kommen werde „bei der Frage, wann beginnt Korruption“, erläuterte Gassen. „Wichtig ist, dass Kooperationen, die für eine gute Patientenversorgung wünschenswert sind, nicht unter Generalverdacht stehen.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz geht davon aus, dass der gesetzlichen Krankenversicherung durch Korruption jährlich 18 Milliarden Euro verloren gehen. Nach ihrer Einschätzung liegt die Schwäche des Gesetzentwurfs darin, „dass Polizei und Staatsanwaltschaft in aller Regel nur auf Antrag ermitteln“. Bei einem Anfangsverdacht sollten sie aber von sich aus tätig werden. „Deshalb brauchen wir in allen Ländern Schwerpunktstaatsanwaltschaften“, forderte Stiftungschef Eugen Brysch. Bayern hatte bereits im Sommer 2014 einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt und zum 1. Oktober 2014 drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet.

Das Gesetz soll voraussichtlich 2016 in Kraft treten. Es ist im Bundesrat nicht zustimmungsbedürftig. Mit dem Entwurf soll eine Lücke geschlossen werden, auf die der Bundesgerichtshof 2012 hingewiesen hatte. Danach sind die geltenden Korruptionstatbestände nicht für niedergelassene Ärzte anwendbar. Die wichtigsten Fragen zum Gesetzentwurf:


Wer kann sich im Gesundheitswesen künftig strafbar machen?

Der Gesetzentwurf erfasst grundsätzlich alle Heilberufe. Dazu gehören laut Justizministerium neben Ärzten, Zahnärzten und Apothekern auch Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder-Psychotherapeuten sowie Gesundheitsfachberufe wie Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten. Auf der Geberseite – etwa Pharmafirmen oder Medizingerätehersteller – riskiert künftig jeder eine Strafverfolgung, der besticht.


Was ist künftig strafbar?

Der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes von 2012 lag ein Fall zugrunde, bei dem eine Pharmareferentin Vertragsärzte durch Prämien zur bevorzugten Verordnung von Präparaten veranlassen wollte. Die Prämienzahlungen wurden als angebliches Honorar für wissenschaftliche Vorträge dargestellt. Laut Ministerium können sich Patienten in solchen Fällen „nicht darauf verlassen, dass die Verordnungsentscheidung tatsächlich auf medizinischen Erwägungen beruht“. Auch verstoße dies gegen den Wettbewerb.


Wann nimmt man unerlaubt einen Vorteil?

Die Annahme von Vorteilen soll laut Ministerium künftig erst dann bestraft werden, wenn sie Gegenleistung für eine Bevorzugung ist. „Es ist also stets eine Verknüpfung von Vorteil und Pflichtverletzung erforderlich.“ Beispiele sind eben Zahlungen von Pharmaunternehmen an Ärzte für die bevorzugte Verordnung von Medikamenten oder „Kopfgelder“ für die Zuweisung von Patienten an ein bestimmtes Krankenhaus. Niedergelassene Ärzte dürfen aber weiterhin Geschenke von Patienten für eine erfolgreiche Behandlung annehmen. Das Ministerium stellt ausdrücklich klar, dass Vorteile, die im Rahmen zulässiger beruflicher Kooperationen gewährt werden, auch künftig nicht strafbar sind. Etwa wenn ein niedergelassener Arzt mit einem Krankenhaus vertraglich geregelt hat, dass er dort ambulant operieren kann.


Wer darf einen Strafantrag stellen?

Bestechlichkeit und Bestechung werden nur auf Strafantrag verfolgt – es sei denn, es liegt ein besonderes öffentliches Interesse vor, dann kann auch ein Einschreiten der Behörden von Amts wegen geboten sein. Strafanträge können die Patienten selbst sowie Wettbewerber, Kammern und Berufsverbände stellen. Auf Betreiben von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wurde der Kreis auf die gesetzlichen und privaten Kranken- und Pflegekassen erweitert.


Ist das Gesetz ein zahnloser Tiger?

In den Heilberufen ist es grundsätzlich sehr schwer, einen Fehler nachzuweisen oder eben auch Bestechung. War das Arzneimittel nötig oder hätte es auch ein anderes getan? Hat der Arzt einen Vorteil gehabt, hat ihn der Pharmavertreter gelockt? Fragen, die nicht so leicht zu klären sind. Gleichwohl kann man davon ausgehen, dass das Gesetz abschreckende Wirkung hat. Wenn erst einmal die Staatsanwaltschaft vor der Tür steht, kann es unangenehm werden. Die Neuregelungen sollen also ein Signal sein, dass Korruption im Gesundheitswesen nicht mehr straflos bleibt, sagt Maas.