Berlin. Bundesinnenminister wird sich einem Einwanderungsgesetz nicht verweigern. Andere in der Union sträuben sich noch

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) plant ein nationales Bündnis für Migration und Integration. Damit rückt zugleich ein Projekt von CDU-Generalsekretär Peter Tauber in greifbare Nähe: ein einheitliches Einwanderungsgesetz. Die besten Chancen hätte eine solche Reform aber erst nach der Bundestagswahl 2017.

Für Michael Müller kann es nicht schnell genug gehen. Berlins Regierender Bürgermeister hofft auf eine Gesetzesinitiative noch in dieser Legislaturperiode. „Wir brauchen es jetzt dringend“, sagte er in der ARD mit Blick auf die Flüchtlingszahlen.

Der SPD-Mann muss sich gedulden. Noch ringt die CDU um eine gemeinsame Haltung. Viele Innenpolitiker sind skeptisch, die Schwesterpartei CSU gibt sowieso massiv Kontra. Hinzu kommt: Einem Punktesystem zur Anwerbung von Fachkräften – das Wunschmodell schlechthin – würden sich zwei Bereiche völlig entziehen: Der Nachzug zur Familienzusammenführung sowie das Flüchtlings- und Asylrecht. Ein Einwanderungsgesetz würde kaum den Zustrom der Flüchtlinge begrenzen, wie Müller glaubt.

Für Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) wäre ein solches Gesetz keine Lösung. Es kämen keine Fachkräfte, „die nicht schon heute kommen dürfen“, sagte er dem Abendblatt. Krings schlägt vor, die bestehenden Gesetze „klüger und konsequenter“ anzuwenden. So wie er reden viele Politiker, erst am Wochenende die Fachleute Wolfgang Bosbach (CDU) und Stehpan Mayer (CSU). Der Innenminister kennt die Argumente. Noch im April hat de Maizière ähnlich wie die beiden Kritiker geklungen.

Auf einer Migrationskonferenz sagte de Maizière, er glaube nicht, dass die Fachkräfte vor der Grenze Schlange stünden und nur von komplizierten Gesetzen abgeschreckt würden. Die Fachkräfte zögen lieber in die USA, nach Kanada, Australien, Neuseeland – wegen der Sprache und weil sie dort besser aufgenommen werden. Nach seiner Ansicht wird in Deutschland viel über das „Erlauben“ geredet, also über Gesetze, aber „über das Einladen und Ankommen reden wir wenig“, so der Minister.

Forciert wird das Thema von SPD und Grünen. In der SPD geht vor allem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann voran. Gerade erst war er eine Woche lang in Kalifornien, auch um zu beobachten, wie die USA Zuwanderung steuern. Im nächsten Wahlkampf wird Oppermann – heute noch Koalitionspartner – den SPD-Gegenpart zu de Maizière abgeben. Die Union muss einkalkulieren, dass die Zuwanderung ein Megathema im Wahlkampf und ein Knackpunkt bei Koalitionsverhandlungen wird – sowohl mit der SPD, erst recht mit den Grünen.

CDU-Generalsekretär Tauber hat es erkannt und einen Kurswechsel nahezu im Alleingang eingeleitet. De Maizière hat fein registriert, dass die Kanzlerin ihren „General“ gewähren ließ und eine Kommission unter Leitung ihres Stellvertreters Armin Laschet ein Einwanderungsgesetz befürwortet. Der Wind dreht sich.

Wie so oft hält sich Angela Merkel bedeckt. Eine Andeutung führte der „Spiegel“ als Beleg dafür, dass sich die CDU-Chefin bald an die Spitze der Bewegung setzen wird. Zum 70. Geburtstag der CDU hatte sie im Juni erklärt, dass Deutschland das zweitbeliebteste Einwanderungsland nach den USA sei. „Die CDU spricht da ja nicht so gern darüber, aber das lernen wir auch noch“, so Merkel.

Sie wird noch etwas mehr aus der Deckung treten müssen, wenn der CDU-Vorstand am 14. September und ein Parteitag im Dezember in Karlsruhe über eine Neupositionierung beraten. Für den Innenminister, mit dem Tauber mehrere Gespräche führte, fand man eine gesichtswahrende Lösung. Laschet stellte in seinem Kommissionsbericht klar, dass es schon zahlreiche Regelungen und gelungene Ansätze gebe. Diese müsse man nur „besser miteinander verknüpfen und in einem Gesetz zusammenführen“. Ein paar Korrekturen und ein neuer Titel – und das war es?

Wirtschaft, Länder und Kommunen werden zur Konferenz eingeladen

„Gesetzeskosmetik“, argwöhnt der Grünen-Politiker Volker Beck. Er verkennt, dass sie Wirkung entfalten kann. Tauber erhofft sich vom Gesetz eine neue Offenheit; es ist mehr eine Frage der Haltung als der Handlung.

De Maizière ist geschmeidig. Am Gesetz könne „gerne vieles besser gemacht werden“. Die Forderung nach einer „Willkommenskultur“ sei allerdings schnell aufgestellt und gut gemeint, aber bislang zu unbestimmt. Besser gemacht werden müsse vor allem die Zuwanderung selbst: Werbung, Haltung, Aufnahme, Integration. Für den 5. November plant der Bundesinnenminister nach den Informationen des Abendblattes eine große Konferenz in seinem Haus zum Thema Fachkräfte-Migration.

Verbände, Wirtschaft, Länder und Kommunen werden eingeladen. De Maizière will mit dem Bündnis für Migration und Integration „weg von den Überschriften“ – den Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen –, „hin zu den Inhalten“. Aus der Regierung hat er Arbeitsministerin Andrea Nahles und Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz eingeladen, beide aus der SPD. Die Konferenz dürfte dem Innenminister frische Argumente für ein Einwanderungsgesetz liefern.