Karlsruhe . Verfassungsrichter entscheiden, ob das Gesetz dem Bundeskriminalamt zu viel Überwachung erlaubt

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die neuen Befugnisse des Bundeskriminalamts in Karlsruhe verteidigt. Das BKA arbeite im Rahmen der Gesetze entschlossen, aber mit Augenmaß dafür, den Rechtsstaat zu erhalten, sagte de Maizière am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht. Den Vorwurf, Deutschland sei ein Überwachungsstaat, „weise ich scharf zurück“. Die Verfassungsrichter müssen prüfen, ob Reformen im BKA-Gesetz gegen Grundrechte der Bürger verstoßen (Az.: 1 BvR 1140/09 und 966/09). Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte 2009 erstmals Kompetenzen zur „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus“ erhalten, zum Beispiel zu Online-Durchsuchungen und längerfristigen Observierungen. Dagegen haben der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), Grünen-Politiker, Journalisten, Rechtsanwälte und ein Arzt geklagt.

„Die Klage richtet sich nicht gegen das BKA“ oder die Ermittlungen an sich, sagte der ehemalige Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch als Prozessvertreter Baums. Aber das BKA-Gesetz könne so nicht bleiben, da es an vielen Stellen zu unklar sei und die Grundrechte von Bürgern nicht wahre. Die Kläger verlangen unter anderem höhere Schranken für das Ausspähen von Computern und für den Spähangriff in Wohnungen. Auch das Bundesverfassungsgericht sieht das seit 2009 geltende BKA-Gesetz in Teilbereichen kritisch. Das wurde in der mündlichen Verhandlung deutlich. „Wie viel Datenschatz darf der Verfassungsstaat den Ermittlungsbehörden zugestehen, und welchen Datenschutz schuldet er seinen Bürgern?“, fragte Gerichts-Vizepräsident Ferdinand Kirchhof.

Die Richter müssen klären, ob das Gesetz gegen Grundrechte verstößt. Die umstrittenen Regelungen räumen dem Bundeskriminalamt weitreichende neue Befugnisse zur Terrorabwehr ein. Die Richter stellten der Bundesregierung viele Fragen und listeten einen Katalog klärungsbedürftiger Punkte auf. De Maizière wies darauf hin, dass seit 2009 zwölf Terroranschläge misslungen oder vereitelt worden seien, was auch dem BKA-Gesetz zu verdanken sei. Insgesamt erst 15-mal sei das BKA zur Terrorabwehr tätig geworden.

Die Kompetenzen des BKA zur „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus“ reichen von der Online-Durchsuchung und der Telekommunikationsüberwachung bis zur längerfristigen Observierung sowie Lausch- und Spähangriffen in Wohnungen. Die Kläger wollen mehr Schutz von Rechtsanwälten, Psychologen, Ärzten und Journalisten in deren Vertrauensverhältnis zu Mandanten und Patienten.

Baum und Hirsch waren in Karlsruhe mehrmals erfolgreich, so 2004 mit einer Klage gegen den sogenannten Großen Lauschangriff und 2008 gegen die Online-Durchsuchung, bei der hohe Hürden durchgesetzt wurden. Ein Urteil ist für Herbst zu erwarten. BKA-Präsident Holger Münch betonte, seit 2009 habe es erst eine Online-Überwachung eines Computers gegeben und nur vier Fälle, in denen Kommunikation per Computer und Internet überwacht wurde. Das Gericht will prüfen, ob die Eingriffsmöglichkeiten verhältnismäßig und bestimmt genug sind, ob sie richterlicher Kontrolle unterworfen werden und ob Anwälte, Ärzte und Journalisten vor Überwachung ebenso zu schützen sind wie bereits Priester, Strafverteidiger oder Abgeordnete.